GEDANKEN ZUR GESTALTUNG EINES KREUZWEGES

 

Ich möchte von den Gedanken sprechen, die zur Gestaltung eines Kreuzweges führen und die Arbeit daran begleiten.

 

Unter den Schätzen der Liturgie, welche die Kirche bewahrt, um den Menschen den tiefsten Blick in das Geheimnis des Glaubens zu schenken, ist der Kreuzweg die Quelle einer Liebe, die heute zwar noch einen Namen, aber kaum noch einen Ausdruck in der allgemeinen Mentalität der Zeit findet.

Die Geschichte der Bilder des Leidens und Sterbens Jesu in vierzehn Stationen ist eng verbunden mit dem Aufbruch der Volksfrömmigkeit im 11. bis 13.Jahrhundert. Bischof Eusebius von Cäsarea berichtet, daß es schon für die ersten Christengemeinden kennzeichnend war, ihre geistliche Disziplin vor allem in der regelmäßigen Betrachtung der Passion des Erlösers zu vertiefen, wobei sie den wörtlichen Text als Symbol einer versteckten Realität verstanden, die in den Bildern erfaßt werden sollte.

Der Künstler hat die Aufgabe, durch die Gestaltung des Kreuzweges die betende Betrachtung zu unterstützen, Betrachten und Betrachtetwerden zu ermöglichen. Die Darstellung sollte nicht eine Interpretation nötig machen, sondern einen Dialog eröffnen helfen, indem aus den Bildern die verborgene Wirklichkeit spricht, von der Eusebius schreibt, daß sie zu suchen schon das Betrachtungsanliegen der erstem Christengemeinden war. Es ist aber müßig zu meinen, man könne etwas besonderes hineinlegen.

Der Kreuzweg besteht nicht aus geheimnisvollen Formen und Zeichen, sondern aus der Darstellung sehr einfacher Geschehnisse, die sich in einzelnen Stationen darbieten und die der Künstler zur Gestaltung nutzt.

Man kann in einen Kreuzweg nichts hineinlegen, aber auch nichts weglassen. Man kann nur versuchen, die Geschehnisse zu betrachten und sie selbst sich aussagen zu lassen. Es sind keine geheimnisvollen Formen, abstrakte Inhalte oder symbolische Zeichen, die von Geheimnissen rätseln, sondern Geschehnisse, in deren Wirklichkeit Station für Station ein Ereignis hell wird, das den Weg der Erlösungstat unseres Herrn begreift. Die Betrachtung des Leidensweges Christi soll uns zur Gegenüberstellung unseres Lebens mit Seiner Erlösungstat führen, um Sein Leben mit unserem Leben, und Seine Liebe mit unserer Liebe vergleichen zu können. Und es geschieht nichts, wenn sich nicht die Angleichung jener Liebeshaltung in uns vollzieht, die so schmerzlich berührt.

So muß also die Gestaltung eines Kreuzweges ohne Wirklichkeit bleiben, wo die Betrachtung durch ein Zuwenig vermindert oder durch ein Zuviel an Äußerlichkeiten verwirrt und zerstreut wird.

 

Im Kreuzweg wird die letzte Phase des irdischen Lebens Jesu der Betrachtung anempfohlen, nicht als historischer Bericht vom Tod eines Verurteilten, sondern eines Ereignisses der Heilsgeschichte, also eines Geschehens, das immer wieder in Beziehung zu unserem menschlichen Leben tritt. In ihm wird alles menschliche Leben, aber auch das Leben jedes Einzelnen immer wieder angesprochen, sowohl sein Versagen als auch sein Überwinden.

 

Der abgebildete Kreuzweg befindet sich in der Kirche des St. Elisabethen-Krankenhauses, Zweibrücken/Pfalz.

 

 

 

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Der Bildhauer und Maler Anton Rückel wurde am 3. Dezember 1919 in Haßfurt am Main geboren und arbeitete nach seiner künstlerischen Ausbildung in München und Paris seit 1954 als freischaffender Künstler in München.

 

1950 erhielt er den Bayerischen Staatspreis für Bildhauerei.

 

Anton Rückel hat für viele Kirchen und Klöster unvergleichliche Kunstwerke geschaffen und in zahlreichen Gebäuden die gesamte künstlerische Innenausstattung übernommen.

 

Bis auf wenige Ausnahmen, zu denen Denkmäler bedeutender Persönlichkeiten zählen, war sein Schaffen ausschließlich der christlichen Kunst gewidmet.

 

Seine theoretischen Schriften - erschienen in einer kleinen Auswahl in dem Bildband ,,Kunst als Lobpreis" - geben einen Einblick in sein Selbstverständnis als christlicher Künstler und seine tiefe Religiosität.

 

Anton Rückel starb am 27. Januar 1990 in München.


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