Wir sind umgeben von Werbung: Plakatwerbung, Zeitungswerbung, Fernsehwerbung, Radiowerbung, und selbst im Internet ist man davon nicht befreit.
„Wer nicht wirbt, stirbt!“, sagt man. Und so wird für alles Mögliche und Unmögliche geworben, meistens für Dinge, die man sich nicht leisten kann, die keiner wirklich braucht, die man aber angeblich unbedingt haben muss, um glücklich und zufrieden zu sein.
Seit längerer Zeit hat die Werbung bereits das „Sparen“ entdeckt: Unter dem Slogan „Geiz ist geil“ oder „Ich bin doch nicht blöd“ oder „Hier locken die kleinen Preise“ werben vor allen Dingen verschiedene größere Elektronikmärkte und auch Diskounterläden. So soll uns Kunden deutlich vor Augen geführt werden, um was wir uns alles bringen, wenn wir jetzt nicht hier oder da zugreifen. Dass wir allerdings wirklich eine Menge sparen, wenn wir diese so genannten einmaligen Gelegenheiten einfach links liegen lassen, wird uns dabei natürlich nicht verraten.
Auch Jesus wirbt für seine Sache, allerdings nicht mit dummen Sprüchen, die die niedrigsten menschlichen Instinkte ansprechen, sondern indem er seinen Zuhörern reinen Wein einschenkt und sie über das Kleingedruckte vorher genauestens informiert.
Markus 8, Vers 34 bis 9, 1 (Einheitsübersetzung): Er rief die Volksmenge und seine Jünger zu sich und sagte: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis könnte ein Mensch sein Leben zurückkaufen?
Denn wer sich vor dieser treulosen und sündigen Generation meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er mit den heiligen Engeln in der Hoheit seines Vaters kommt.
Und er sagte zu ihnen: Amen, ich sage euch: Von denen, die hier stehen, werden einige den Tod nicht erleiden, bis sie gesehen haben, daß das Reich Gottes in (seiner ganzen) Macht gekommen ist.
Jesus geht hier nicht gerade werbewirksam vor, um Menschen für sich und seine Sache zu begeistern. Statt großen Glücksversprechen ernüchternde Tatsachen. Doch Jesus will niemanden einlullen, sondern seine Zuhörer zu einer realistischen Bestandsaufnahme herausfordern. Werbewirksam hört sich diese Rede Jesu zwischen seiner ersten und zweiten Leidensankündigung dabei nun wirklich nicht an. Es klingt alles furchtbar negativ und scheinbar überhaupt nicht lebensbejahend. Da ist von Selbstverleugnung und vom Kreuztragen die Rede, von Nachfolge und Leben verlieren. Und denen, die sich für Jesus und seine Worte schämen, wird eine drastische Abfuhr bei seiner Wiederkunft angedroht.
Ein scheinbar dunkler, erschreckend frustrierender Text.
Dieses Jesuswort finden wir nicht nur hier in Markus 8, sondern auch in Matthäus 16 und in Lukas 9.
Vor den Ohren des Volkes, sagt Jesus seinen Jüngern
(Gute Nachricht): Wer mir folgen will, muss sich und seine Wünsche aufgeben, sein Kreuz auf sich nehmen und auf meinem Weg hinter mir hergehen. Nach der Lutherübersetzung heißt es: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Jesus lädt zum Glauben und zum Christsein, zur Nachfolge und Jüngerschaft ein.Wer mir nachfolgen will
, sagt er, und nennt die Bedingungen dafür:- der muss sich selbst verleugnen, der darf nicht mehr an sich selbst denken, der muss sich selbst vergessen! Der muss sein Selbst loslassen und selbstlos leben! Der muss freiwillig und aktiv „Nein“ zu sich selbst sagen!
- der muss sein Kreuz auf sich nehmen, sagt Jesus, und sogar täglich, lesen wir bei Lukas.
„Jeder hat sein Kreuz zu tragen“, sagt man, und wir meinen damit: Was dem einen die Brille, ist dem anderen die Zahnspange, was dem einen die Ehelosigkeit, ist dem anderen die Familie. Es gibt eben kein hundertprozentiges gesundes und vollkommenes Leben. Irgendein Kreuz hat jeder zu tragen. Wir leiden doch alle – auch wir Christen – unter der einen oder anderen Einschränkung unseres Lebens. Und die Psychologen bescheinigen uns: „Irgendein Neuröschen hat jeder!“ So hat eben jeder sein Kreuz zu tragen.
Genau das meint der Mann vom Kreuz eben nicht, wenn er vom Kreuztragen spricht. Wir wissen doch, wo und wie Jesus endete: tatsächlich und buchstäblich am Kreuz. Wenn er die Seinen zum täglichen Kreuztragen auffordert, dann fordert er sie zum Sterben auf! So zeigt Jesus auf sein eigenes Kreuz und sagt denen, die ihm nachfolgen wollen: „Mein Kreuz zeigt euch, wohin ich euch führe. Der Jünger steht nicht über dem Meister.“
Für den, der sich auf den Kreuzweg befand, war diese Welt bereits vergangen und sein Leben abgeschlossen. Alles, was er noch vor sich hat, ist Schmach und Schmerz, ist Sterben und Tod.
Wer mir nachfolgen will, sagt Jesus, muss sterben!
Das tägliche Kreuztragen weist daraufhin, dass dieser Prozess allmählich vor sich geht, und dass jeder Tag uns erneut vor die Wahl stellt: Jesus zu folgen oder seine eigenen Interessen durchzusetzen. Wer Jesus nachfolgt, stirbt. Und Sterbende kümmern sich nicht mehr um ihre eigenen Interessen oder um die Dinge dieser Welt.
Wer mir nachfolgen will
, sagt Jesus:- der verleugne sich selbst.
- der nehme sein Kreuz auf sich
- und folge mir nach, mir hinterher, nicht vorneweg, sondern in einer ganzen engen Beziehung des Hörens und Fragens, eben ganz und gar abhängig von mir und damit unabhängig und frei von Menschenmeinungen.
Spätestens jetzt dürfte klar sein: Das Leben mit dem Mann aus Nazareth ist kein Ausflug. Nachfolge Jesu ist kein Einkaufsbummel im Schlaraffenland. Christlicher Glaube hat nichts mit einem Spaziergang am Strand zu tun.
Um allerdings hier nicht auf falsche Fährten innerlich und äußerlich zu geraten, ist folgendes wichtig festzuhalten und aufzunehmen:
1. Zuerst einmal ruft Jesus zu sich
Er rief die Volksmenge und seine Jünger zu sich.
Jesus ruft immer zuerst zu sich selbst, wo sonst ist Leben und Heilung zu finden, als bei ihm. Wenn Jesus uns so ruft und zu sich selbst einlädt, ist das zugleich auch immer mit einer Berufung verbunden. Christwerden ist bei Christus nicht Endstation, sondern die erste Station und der Beginn einer abenteuerlichen Reise. Wer zu Jesus gerufen ist, wird von ihm auch immer berufen! Die Bekehrung zu Jesus und der christliche Glaube sind niemals als Schlusspunkt, sondern immer als Doppelpunkt von Jesus gedacht. So beruft er die 12 - und nicht nur diese von damals - so legt er seinen Namen auf sie und seine Vollmacht und Autorität ins Leben der Jesusjünger.2. Niemand wird gezwungen, sondern freiwillig eingeladen
Wer mein Jünger sein will.
Jesus zwingt niemanden. Er lädt ein, er wirbt. Er bittet. Aber er bedrängt und erdrückt nicht. Nachfolge Jesu geschieht immer nur freiwillig und niemals erzwungen.Gerade mit diesem Wort der „Selbstverleugnung“ ist unter uns Christen viel Schaden angerichtet worden. Niemand darf den anderen zur Aufgabe seiner Selbst zwingen. Dort, wo dies geschieht, werden Menschen entmündigt und die Persönlichkeit vergewaltigt. Nun wird in christlichen Kreisen nicht offen Gewalt angewendet, um Menschen zu ihren Überzeugungen zu bekehren. Wir machen das versteckter und scheinbar feinfühliger, aber in Wahrheit mit derselben uns nicht zustehenden Anmaßung, für einen anderen den Willen Gottes festlegen zu können. Wir sagen: „Wenn du Christ sein willst, dann...“ Oder wir stellen den Glauben unseres Mitchristen in Frage und sagen: „Und Du willst Christ sein?“
Meine Frau kann aus ihrer christlich sicherlich gut gemeinten, aber leider eben auch völlig gesetzlich missverstandenen Kindheitsprägung ein Lied mit mehreren Strophen davon singen. Nicht nur das Tanzen war für sie verboten. Selbst wenn sie ins Kino gehen wollte, musste sie mit der Frage fertig werden: „Meinst Du, dass Jesus dich da raus holt, wenn er jetzt wiederkommt?“
3. Sein Selbst loslassen kann nur, wer es vorher gefunden hat
Der verleugne sich selbst.
Gerade in unserer Zeit und in unserem Land scheint dieses Wort Jesu absolut missverständlich zu sein. In einer Gesellschaft, in der – ich weiß nicht wie viele Menschen – unter Minderwertigkeitsgefühlen leiden und es scheinbar immer weniger gibt, die sich selbst so annehmen können, wie Gott sie geschaffen hat: Körperlich und persönlich, mit ihren Stärken und Grenzen und auch in ihren sozialen Bezügen, da klingt dieses in Wahrheit befreiende Jesuswort doch geradezu nach Selbstzerstümmelung der eigenen Persönlichkeit. Dabei dürfen wir dieses Jesuswort eben nicht gegen das andere Jesuswort ausspielen, das er sagte auf die Frage nach dem wichtigsten Gebot, Matthäus 22, Verse 37 bis 39 (Einheitsübersetzung): Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.Nur wer sich selbst liebt – oder besser gesagt: sich selbst angenommen hat -, kann auch seinen Nächsten annehmen und lieben. Und sein Selbst loslassen kann nur, wer es vorher gefunden hat.
Es geht Jesus eben nicht um eine Zerstörung der eigenen Persönlichkeit, sondern um die befreiende Einladung, sein gesundes Ego, seine Persönlichkeit freiwillig und bewusst loslassen zu können: Selbstlos leben, sich selbst vergessen, sich selbst nicht mehr wichtig nehmen müssen. WEIL: Jesus uns so unendlich wertvoll und wichtig nimmt!
So bedeutet „sich selbst verleugnen“, nicht mehr für sich selbst und seine eigenen Interessen kämpfen zu müssen.
Am Freitag musste ich über eineinhalb Stunden im Wartezimmer eines Arztes verbringen. Nun gehört Geduld nicht gerade zu meinen Stärken, und so war ich froh, dass ich mich während dieser Zeit in einen Spiegelartikel über den Aufstieg und den Fall des Dritten Reiches vertiefen konnte. Gerade bei den Leserbriefen hatte ich den Eindruck: Wir Deutsche leiden seit damals unter einem gesellschaftlichen Trauma, dass sich gerade auch in unserem Jammern und unseren Minderwertigkeitsgefühlen niederschlägt. Vielleicht ist dies der Fluch, den wir als Deutsche aus unserer Vergangenheit zu tragen haben? Die Blut-Boden-Rasse-Religion der Nazis lehrte, dass Juden, Asoziale, Schwule und Kriegsdienstverweigerer unwerte Menschen sind und deshalb ausgerottet gehören. Vielleicht leiden wir gesellschaftlich an diesem arischen Fluch, der damals andere für unwertes Leben erklärte und uns jetzt eingeholt hat. Vielleicht ist dies der Grund, weshalb sich heute so viele in unserer Gesellschaft minderwertig und wertlos fühlen? Das ist für mich eine ganz offene Frage.
Die befreiende Botschaft dieses alten Jesuswortes lautet auf jeden Fall: Ich muss nicht mehr für mich kämpfen. Ich muss mich nicht mehr abkämpfen, um Achtung und Annerkennung zu bekommen. Ich bin gewollt. Ich bin geliebt. Ich bin kostbar und wertvoll. Ich darf leben, selbstvergessen und selbstlos.
Mittendrin zwischen der 1. und der 2. Leidensankündigung redet Jesus vom Verzicht und vom Loslassen. Zwischen dem 1. und dem 2. Hinweis auf sein Kreuz, dazwischen - mittendrin - der Ausblick aufs Kreuz auch für seine Nachfolger. Christen werden Kreuzträger sein müssen. Damit ist weder das Kreuz an einer Halskette noch der Aufruf zum Kreuzzug gegen die Un- oder Andersgläubigen gemeint.
Mittendrin also - nach der Berufung und vor dem Gipfelerlebnis - lädt Jesus ein:
Wer mir nachfolgen will:- der muss sich selbst verleugnen, der darf nicht mehr an sich selbst denken, der muss zu sich selbst „Nein“ sagen!
- der muss sein Kreuz auf sich nehmen, und zwar täglich, lesen wir bei Lukas.
Wer mir nachfolgen will, sagt Jesus, muss sterben!
Was Jesus damals von seinen Nachfolgern freiwillig forderte, ist nichts anderes, als das, was wir in der Taufe bekennen: Römer 6! Das Taufwasser ist das Symbol unseres Grabes. Wer sich taufen lässt, drückt damit symbolisch aus: Ich bin gestorben. Und wenn man aus dem Taufwasser herauskommt, sagt man: Mein Leben gehört jetzt Jesus. Ich lebe für ihn. Jesus ist mein Leben! Für ihn und durch ihn lebe ich.
Galater 2, Vers 20
unterstreicht genau das, was man durch die Taufe bekennt und erklärt: Darum lebe nun nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir. Das Leben, das ich jetzt noch in diesem vergänglichen Körper lebe, lebe ich im Vertrauen auf den Sohn Gottes, der mir seine Liebe erwiesen und sein Leben für mich gegeben hat.Mittendrin im Leben der Jesusjünger fragt Jesus also, ob wir uns verloren haben. Ob wir uns an ihn verloren haben oder an diese Welt. Ob wir uns auf dem Kreuzweg und damit auf dem Weg der Jesusnachfolge befinden, oder ob wir immer noch darüber nachdenken, wer denn der Größte von uns ist, immer noch Gipfelerlebnisse konservieren wollen, immer noch anderen den Mund verbieten wollen, nur weil sie nicht zu unserer Gemeinschaft gehören.
Kein leichtes Wort für einen Sonntagmorgen, wirklich, kein leichtes Wort, ganz egal für welchen Morgen.
Aber erscheint uns dieses Wort vielleicht gerade deshalb so schwer und hart, weil wir Jesus nicht richtig verstanden haben? Weil wir immer noch meinen, Jesus will uns etwas wegnehmen. Das Gegenteil ist doch der Fall.
Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.Sich selbst vergessen, weil wir bei Jesus in den besten Händen und gut aufgehoben sind. Sich selbst nicht mehr so wichtig nehmen müssen, weil Jesus uns ernst und wichtig nimmt. Sich nicht mehr selbst ins rechte Licht setzen müssen, weil unser Leben von Jesus erleuchtet ist. Dem Leben nicht mehr hinterherlaufen und mit Geld und Gut, mit Ansehen und Ehre verwechseln müssen, weil Jesus doch das Leben ist.
Jesus möchte nicht, dass wir uns an alles Mögliche und Unmögliche verlieren, uns dabei selbst verlieren und somit ja auch das Leben. Jesus möchte, dass wir uns ganz und gar an ihn verlieren, um uns bei und in ihm wiederzufinden.
Jesus will uns in die Freiheit der Kinder Gottes führen, die von nichts und niemand mehr abhängig sein müssen, die sich von nichts und niemand mehr einreden lassen, was lebenswertes Leben ist, die nicht mehr von äußeren Lebensumständen abhängig sind, weil sie sich ganz an Jesus verloren haben, ihm auf dem Kreuzweg folgen und deshalb für diese Welt mit ihren Reizen und Ansprüchen, mit ihren Versuchungen und Vorwürfen ja bereits gestorben sind.
Jesus möchte uns also nicht quälen, sondern befreien, nicht einengen, sondern zum Leben verhelfen. Er will nicht, dass seine Jünger sich leben lassen - von anderen, von den Umständen, von der Werbung und den Ansprüchen anderer. Wer Jesus auf dem Kreuzweg folgt, ist frei. Er ist ja schon so gut wie tot! Wer sich an Jesus verloren hat, kann sich nicht mehr verlieren!
Franz von Assisi hat vor 800 Jahren gesagt:
Wir besitzen nicht, sondern wir werden von unserem Besitz besessen. Dieser alte wahre Satz lässt sich auf alles ausweiten, was wir in unseren Häusern, Herzen, Gedanken und Köpfen haben.Wir werden uns verlieren: Die Frage ist nur: an wen oder was?