Selbstüberschätzung des Petrus

„Du wirst Menschen fangen“, hat er zu mir gesagt. Und ich ließ meine Netze liegen, ging ihm einfach nach. Auf sein Wort hin, da hab ich es gewagt.

„Du sollst Petrus heißen“, hat er zu mir gesagt. Ein Felsen, wie ein Fundament, das die Gemeinde trägt. Welch großes Wort! Ich hab nicht nachgefragt.

Ein Fischer, den man „Felsen“ nennt. Charakterfest wie Stein. Ein Jünger, der den Meister kennt, das wollt ich gerne sein.

„Du wirst leugnen, mich zu kennen“, hat er mir gesagt. Da schrie ich auf: „Herr, eher sterb´ ich!“ Doch er blieb dabei. Sein letztes Wort. Ich hab mich laut beklagt.

Er betete im Garten und ich schlief dabei ein. Sie nahmen ihn gefangen. Ich blieb zurück. Allein. Sie wollten ihn verhören. Ich schlich mich vor das Haus. Da sprach mich eine Magd an: „Hey du! Du siehst so aus wie einer, der mit Jesus ging.“ Sie schlossen um mich einen Ring, ein Netz, in dem ich mich verfing. Da schrie ich laut hinaus: „Ich kenne diesen Menschen nicht! Bei Gott, wer ist der Mann?“ Ich schwor dreimal, dann schwieg ich still. Da plötzlich – schrie der Hahn.

„Du wirst Menschen fangen“ – im Netz da hing nur ich. Der Felsen lag zerbrochen da, zertrümmert, so wie mein gebrochnes Wort. Ich weinte bitterlich.

Ich konnte ihm nicht folgen. Am Kreuz war er allein. Verraten und verlassen. Musste das so sein? Wir waren seine Freunde und ließen ihn im Stich. Ich wollte für ihn sterben. Doch dann starb er für mich. Ein toter Herr, drei Tage lang. Verflogen war mein Tatendrang. Mir war nur um mich selber bang. Da trat er in den Raum. Wie das geschah? Ich weiß es nicht. Auf einmal war er da. „Habt keine Angst mehr“, sagte er. „Nichts ist mehr, wie es war!“

„Du wirst Menschen fangen“, hat er zu mir gesagt. Und ich ließ meine Ängste liegen, lief aus dem Versteck. Auf sein Wort hin, da hab ich es gewagt.

Ein Fischer, den man „Felsen“ nennt. Charakterfest wie Stein. Das glaubt nur der, der mich nicht kennt. So kann ich niemals sein.

Ein Hahn, der kräht es laut hinaus: Du bist kein Glaubensheld. Doch Christus hat dich auserwählt. Nun geh und bau sein Haus!

© aus CD „Drei Tage“ von Johannes Nitsch, Text: Martin Buchholz-Fiebig, Hänssler Verlag, Holzgerlingen 1994



Als Jesus sein öffentliches Wirken begann, war Simon einer der ersten, die er in seinen Jüngerkreis berief. Dabei erhielt er seinen besondern Namen. Johannes 1, Vers 42: Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heißen. Kephas bedeutet: Fels (Petrus).

Petrus stammte aus Betsaida am See Genezareth und besaß mit seiner Frau ein Haus in Kafarnaum. Zusammen mit seinem Bruder Andreas und vielleicht mit ihrem Vater Johannes arbeitete er als Fischer. Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen (Markus 1, Vers 17) - mit diesen Worten forderte Jesus die beiden Brüder auf, mit ihm zu ziehen, und Andreas und Petrus ließen sich nicht lange bitten, sondern gaben Beruf und Heimat auf und begleiteten Jesus.

Neben Jakobus und Johannes gehörte Petrus zum engsten Jüngerkreis Jesu, zum Dreierkreis der auf dem Berg der Verklärung war, im Garten Getsemani und zu denen Jesus ein besonders enges Verhältnis hatte.

Im Jüngerkreis selbst nahm Petrus eine Sonderstellung ein. Er erscheint fast überall als ihr Sprecher und wird in allen Apostellisten an erster Stelle erwähnt. Nach dem Christusbekenntnis des Petrus wird er von Jesus erneut als Felsenmann bestätigt: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen (Matthäus 16, Vers 18). Petrus ist temperamentvoll und begeisterungsfähig, seine Entscheidungen kommen aus ganzem Herzen. Dabei redet und handelt er meistens schneller als es für ihn und andere gut ist.

Mit Petrus wollen wir uns auf den Weg von Gründonnerstag bis Ostern machen.



Zuerst wollte er sich an diesem Abend die Füße nicht waschen lassen und anschließend fragt er nach einem Vollbad.

Guter alter Petrus: Was für ein Wechselbad der Gefühle! Zuerst erscheint es dir undenkbar, dass Dein Herr und Meister, dein König und Gott dir die Füße wäscht. Du verweigerst dich geradezu. So erniedrigend darf dir Jesus nicht dienen. Stillsitzen und nichts tun, sind sowieso nicht gerade deine Stärken. Aber das ist es wohl eher nicht, sondern die Tatsache, dass dir Dein Herr jetzt dienen will. Und damit haben Choleriker und Aktivisten, wie du, eben so ihre Schwierigkeiten. Statt sich dienen zu lassen, dienen sie lieber Anderen. Und es ist ja auch nicht Johannes, der dir hier die Füße waschen will. Wobei - selbst das wäre dir sicherlich auch nicht recht gewesen – schließlich steht er mit dir auf einer Ebene und folgt wie du Jesus nach. Aber das ER dir die Füße waschen will, ist völlig absurd für dich. Dich packt geradezu das Entsetzen, wenn du nur daran denkst, dass dir Dein Herr so dienen will.

Da braucht es schon dieses mehr als deutliche Wort von Jesus selbst, um dich zum Nachgeben und zum Zulassen zu bewegen: Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir (Johannes 13, Vers 8b).

Aber dann willst du auch gleich ein Vollbad, und die Fußwaschung reicht dir nicht mehr. Ganz ernst meinst du es mit der Nachfolge und Deiner Hingabe an Jesus. Alles, nicht nur deine Füße willst du ihm zur Verfügung stellen, auch deine starken Hände und Dein markantes Gesicht, dein Denken und Reden, dein Fühlen und Wollen. Du willst ganz und gar zu Jesus gehören. Du hast Dein Herz an ihn verloren!

Aber kann es sein, das hinter deinem so ehrlichen Bekenntnis zur ganzen Hingabe auch so etwas wie Flucht vorm Schwachsein dürfen steckt? Dass du es innerlich einfach nicht zulassen kannst, dir so von Jesus dienen zu lassen und du deshalb gleich wieder selbst aktiv werden musst?

Petrus, kann es sein, dass du es bisher noch nicht gelernt hast, dass du nicht nur ein Gebender und Handelnder, sondern auch ein Empfangender und Beschenkter werden musst, um richtig dienen zu können?

Kann es sein, dass es dir schwer fällt, dich einfach beschenken zu lassen und ohne es wieder gut machen zu müssen, einfach etwas von deinem Herrn empfangen zu dürfen?

Vielleicht musstest du deshalb in dieser Nacht so schwach werden! Matthäus 26, Vers 30 bis 35 (Einheitsübersetzung): Nach dem Lobgesang gingen sie zum Ölberg hinaus. Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr alle werdet in dieser Nacht an mir Anstoß nehmen und zu Fall kommen; denn in der Schrift steht: Ich werde den Hirten erschlagen, dann werden sich die Schafe der Herde zerstreuen. Aber nach meiner Auferstehung werde ich euch nach Galiläa vorausgehen.

Petrus erwiderte ihm: Und wenn alle an dir Anstoß nehmen - ich niemals! Jesus entgegnete ihm: Amen, ich sage dir: In dieser Nacht, noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.

Da sagte Petrus zu ihm: Und wenn ich mit dir sterben müsste - ich werde dich nie verleugnen. Das Gleiche sagten auch alle anderen Jünger.

Es war an diesem Abend. Es war nach dem letzten Abendmahl und nach dem Lobgesang. Es war auf den Weg nach Getsemani, als er ihnen zum vierten und zum letzten Mal sagte, was passieren wird.

Petrus ergreift wieder einmal das Wort, lautstark und selbstsicher, viel zu sicher, wie wir mittlerweile wissen: „Auch wenn alle an dir Anstoß nehmen - ich nicht!“ (Markus 14, Vers 29).

Als Jesus daraufhin seinen kommenden Verrat ankündigt, antwortet Petrus lautstark und von sich selbst völlig überzeugt: „Und wenn ich mit dir sterben müsste - ich werde dich nie verleugnen!“ (Markus 14, Vers 31).

Petrus überschätzt sich hier maßlos. Wie ein Fels in der Brandung tritt er auf, um nur wenige Stunden später unterzugehen.

Allein mit dem Sprichwort „Hochmut kommt vor dem Fall“ werden wir Petrus hier nicht gerecht. Er war von dem, was er sagte wirklich überzeugt. Er glaubte fest daran, dass er weder an Jesus Anstoß nehmen wird, noch ihn jemals verleugnen könnte. Er glaubte an sich, und deshalb versagte er. Er nahm seine Schwäche und Menschlichkeit nicht wahr, wollte sich nicht eingestehen, dass er auch versagen und schuldig werden könnte. Er glaubte an seine Stärke und Kraft und überschätzte sich an diesem Abend heillos.

Das Beispiel von Petrus macht Mut. Damit ist nicht seine fatale Selbstüberschätzung gemeint, dass er immer stark sein musste und vor sich und anderen nicht einfach schwach sein konnte. Sondern die Tatsache, dass so einer – so ein Felsenmann – sich so verrechnen kann und dennoch nicht von Jesus abgeschrieben wird.

Aus dem Paralleltext nach Lukas stammt übrigens auch die Jahreslosung 2005, Lukas 22, Vers 32 (nach der Lutherübersetzung): „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“

Gott braucht eben keine Helden, sondern schwache Menschen, Menschen, die wissen, dass sie einen Heiland bitter nötig haben, und die deshalb nicht an sich selbst glauben müssen, sondern auf Jesus vertrauen, der damals für Petrus betete und heute für uns.



Krefeld, den 24. März 2005
Pastor Siegfried Ochs



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