Ziele, Werte und Visionen

Mit Schiffen und Booten habe ich eigentlich nichts zu tun, daß liegt daran, daß ich in Wuppertal aufgewachsen bin und diese Stadt von der Schwebebahn lebt und nicht von der christlichen Seefahrt. Hinzu kommt, daß ich mich lieber auf dem festen Land aufhalte, als mich auf die unruhige See zu begeben. Schließlich hat Wasser keine Balken und schwimmen kann ich auch nicht. Ich erinnere mich immer noch an die Gefühle, die ich als Kind hatte, als wir bei stürmischer See vor der Küste von Helgoland in die kleinen Boote umsteigen mußten, die uns zur Insel bringen sollten. Ich weiß weder wie alt ich damals war, noch ob das ein Ausflug mit der Schule oder mit meinen Eltern war, alles was ich noch weiß ist, wie stürmisch die See war und wieviel Angst ich hatte und wie ich mich nach dem Festland sehnte und überhaupt nicht verstehen konnte, wie ich jemals auf dieses Schiff kam, daß so entsetzlich hin und her schaukelte.

Nein mit Schiffen habe ich eigentlich nie viel im Sinn gehabt. Dafür hat uns in Wuppertal der Hafen gefehlt. Dafür bin ich öfters zum Bahnhof gegangen und habe den Zügen nachgeschaut, wenn sie den Bahnhof verließen und mir vorgestellt, da steigst du jetzt ein. Das lag mir näher, als der Hafen mit seinen Schiffen. Schließlich war mein Vater auch bei der Bundesbahn.

Aber es ist dasselbe Gefühl, nach Weite und Abenteuer, nach Freiheit und Aufbruch.

Später stand ich dann am Düsseldorfer Flughafen und schaute den Flugzeugen nach, wie sie starteten und las begeistert auf den Anzeigetafeln die Reiseziele. Und ich weiß noch genau, wie aufgeregt ich war, als ich das erste Mal in ein Flugzeug stieg, daß mich in ein unbekanntes Land brachte.

Es ist derselbe Reiz, auch wenn das Transportmittel jeweils ein anderes ist: Der Flughafen mit seinen startenden Fliegern, der Bahnhof mit seinen abfahrenden Zügen oder eben der Hafen mit seinen ablegenden Schiffen.

Jedesmal liegt der Reiz des Unbekannten in der Luft, der sich auch immer so ein bißchen mit der Angst vor dem Neuen mischt. Das Gefühl von Aufbruch und Abenteuer und zugleich die Sorge, wie es wird und was einen erwartet.

Es hat was, abfahrenden Zügen zuzuschauen, startenden Flugzeugen, und ablegenden Schiffen. Es hat was! Aber zuschauen ist eine Sache, in den Zug einsteigen und mitfahren, im Flughafen sich einchecken und im Flieger Platz nehmen, die Fahrkarte lösen und an Bord gehen, ist eine ganz andere Geschichte.

Zuschauen ist letztlich langweilig, auch wenn es sicher ist! Aber wer niemals das Risiko eingeht, es zu wagen einzusteigen, mitzufahren, mitzufliegen oder den sicheren Hafen zu verlassen, der weiß nicht was ihm entgeht.

Meine erste und bisher einzige Flugreise hatte mich für drei Tage nach Israel gebracht. Es ist wirklich etwas völlig anderes, etwas über ein Land zu lesen, Fotos anzuschauen oder Bilder im Fernsehen zu betrachten, als sich auf den Weg zu machen und dieses Land tatsächlich zu besuchen und dort - und sei es nur für 3 Tage - mit Haut und Haaren zu leben.

Zuschauen wie andere abfahren, wegfliegen oder ablegen ist letztlich furchtbar langweilig. Es ist etwas ganz anderes und letztlich nicht zu beschreiben oder zu erklären, sondern nur zu erleben und zu erfahren, wenn man einsteigt und dann sieht, wie der Bahnhof immer kleiner wird, wie neue Landschaften sich einem erschließen, oder wie man sich auf einmal mitten in den Wolken befindet, weit über der Erde und in einem ganz anderen Klima aus dem Flugzeug steigt, oder wie die Möwen schreiend das Schiff begleiten und wie Wasser riecht und wie Wellen sich anhören, wenn sie an den Kiel klatschen.

Zuschauen ist langweilig! Einsteigen und mitfahren, abfliegen und ablegen eine ganz andere Sache! Spannend und zugleich voller Risiko!

Lukas 5, Verse 1 bis 11: Eines Tages stand Jesus am Ufer des Sees von Gennesaret. Die Menschen drängten sich um ihn und wollten Gottes Botschaft hören. Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und reinigten ihre Netze. Er stieg in das eine, das Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück vom Ufer abzustoßen. Dann setzte er sich und sprach vom Boot aus zu der Menschenmenge.

Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: »Fahr hinaus auf den See und wirf mit deinen Leuten die Netze zum Fang aus!« Simon erwiderte: »Herr, wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und nichts gefangen. Aber weil du es sagst, will ich die Netze noch einmal auswerfen.« Sie taten es und fingen so viele Fische, daß die Netze zu reißen begannen. Sie mußten die Fischer im anderen Boot zur Hilfe herbeiwinken. Schließlich waren beide Boote so überladen, daß sie fast untergingen.

Als Simon Petrus das sah, warf er sich vor Jesus nieder und bat: »Herr, geh fort von mir! Ich bin ein sündiger Mensch!« Denn ihn und alle anderen, die bei ihm im Boot waren, hatte die Furcht gepackt, weil sie einen so gewaltigen Fang gemacht hatten. So ging es auch denen aus dem anderen Boot, Jakobus und Johannes, den Söhnen von Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten.

Jesus aber sagte zu Simon: »Hab keine Angst! Von jetzt an wirst du Menschen fischen!« Da zogen sie die Boote an Land, ließen alles zurück und folgten Jesus.

Und vielleicht haben wir jetzt so die Stimmung vor Augen, wie sie wohl war, als Jesus bei den Jüngern im Boot war, beim allerersten Mal, nach diesem Fischfang der die Boote fast zum Kentern brachte und wo Petrus zu Jesus sagte: Herr, geh fort von mir! Ich bin ein sündiger Mensch! Und wo auch all die anderen aus den anderen Booten einfach nur erschrocken waren, weil ihnen so etwas wie mit Jesus noch nie begegnet ist.

Und dann kommt's: Jesus sagt: "Steigt ein! Steigt ein in mein Boot. Es geht nicht mehr um kleine Fische, ihr werdet Menschen fischen. Kommt, steigt ein, legt ab!" Und dann steht da im 11. Vers des 5. Kapitels des Lukasevangeliums: Sie brachten die Boote an Land, verließen alles und gingen mit Jesus.

Die Jünger schauten nicht zu, wie andere mit Jesus gingen. Sie ließen alles stehen und liegen und gingen selbst. Sie schauten nicht zu, wie andere abfuhren, wegflogen oder ablegten. Sie stiegen ein in das Schiff, daß Jesus als Kapitän hat.

Sicher, da war Aufbruchsstimmung, aber doch wohl auch Unsicherheit und Angst! Aus den Evangelien wissen wir doch, daß die, die hier ablegen, bis zum Schluß - bis Pfingsten - ihrem Kapitän weder im Blick auf den Kreuzeskurs verstehen noch immer und so von ganzen Herzen und vor allem völlig vertrauen.

Markus 4, Verse 35 bis 41: Am Abend jenes Tages sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Kommt, wir fahren zum anderen Ufer hinüber!« Die Jünger verabschiedeten die Leute; dann stiegen sie ins Boot, in dem Jesus noch saß, und fuhren los. Auch andere Boote fuhren mit. Da kam ein schwerer Sturm auf, so daß die Wellen ins Boot schlugen. Das Boot füllte sich schon mit Wasser, Jesus aber lag hinten im Boot auf dem Sitzkissen und schlief. Die Jünger weckten ihn und riefen: »Lehrer, kümmert es dich nicht, daß wir untergehen?«

Jesus stand auf, sprach ein Machtwort zu dem Sturm und befahl dem tobenden See: »Schweig! Sei still!« Da legte sich der Wind, und es wurde ganz still. »Warum habt ihr solche Angst?« fragte Jesus. »Habt ihr denn immer noch kein Vertrauen?« Da befiel sie große Furcht, und sie fragten sich: »Wer ist das nur, daß ihm sogar Wind und Wellen gehorchen!«

Da war die Nacht auf dem Schiff und der Sturm und Jesus schlafend mit an Bord und ihre Angst, obwohl sie diesen See kannten, obwohl sie Fischer waren und obwohl Jesus mit an Bord war!

Matthäus 14, Verse 22 bis 33: Gleich darauf drängte Jesus die Jünger, ins Boot zu steigen und ans andere Seeufer vorauszufahren. Er selbst wollte erst noch die Menschenmenge verabschieden. Als er damit fertig war, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten. Als es dunkel wurde, war er immer noch dort.

Das Boot mit den Jüngern war inzwischen weit draußen auf dem See. Der Wind trieb ihnen die Wellen entgegen und machte ihnen schwer zu schaffen. Im letzten Viertel der Nacht kam Jesus auf dem Wasser zu ihnen. Als die Jünger ihn auf dem Wasser gehen sahen, erschraken sie und sagten: »Ein Gespenst!« und schrien vor Angst. Sofort sprach Jesus sie an: »Faßt Mut! Ich bin's, fürchtet euch nicht!«

Da sagte Petrus: »Herr, wenn du es bist, dann befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen!« »Komm!« sagte Jesus. Petrus stieg aus dem Boot, ging über das Wasser und kam zu Jesus. Als er dann aber die hohen Wellen sah, bekam er Angst. Er begann zu sinken und schrie: »Hilf mir, Herr!« Sofort streckte Jesus seine Hand aus, faßte Petrus und sagte: »Du hast zuwenig Vertrauen! Warum hast du gezweifelt?« Dann stiegen beide ins Boot, und der Wind legte sich. Die Jünger im Boot warfen sich vor Jesus nieder und riefen: »Du bist wirklich Gottes Sohn!«

Da war die andere Nacht auf dem Schiff und diesmal waren sie allein. Als sie wieder gegen den Sturm und die Wellen kämpften, kam er ihnen entgegen mitten auf dem Wasser. Und dann die Angst und dann der Mut des einen, der sagt: Wenn du es bist, laß mich auf dem Wasser gehen. Und für Petrus bekam das Wasser Balken, solange er auf Jesus sah und nicht auf die Wellen und den Sturm und das Meer. Da wurde er naß und wir sitzen im Trockenen und denken über den schwachen Glauben des Petrus nach. Aber er war der einzige von den Zwölfen, der es wagte, der das Boot verließ und auf dem Wasser ging. Nur Petrus kann davon berichten, wie das ist, auf dem Wasser zu gehen und wie sich das anfühlt. Das er dabei naß wurde ist eine andere Geschichte. Aber er hat es gewagt, während die anderen nur zuschauten, wie Petrus losging!

Zuschauen ist langweilig. Klar, wenn man losgeht, kann man naß werden. Aber es gibt keinen Aufbruch ohne Risiko!

Ich bin davon überzeugt, daß Petrus diese Erfahrung niemals missen möchte. Schließlich hat sie ihn gelehrt, was man im Glauben wagen kann und was passiert, wenn man Jesus aus dem Blick verliert. Und was würde uns heute fehlen, ohne Petrus und seinen Mut auf dem Wasser zu gehen?

Aber die Erfahrung allein hat auch bei Petrus nicht gehalten - so wertvoll und wichtig sie war -, weil eben Erfahrungen uns nicht halten, sondern nur der auferstandene Jesus und unsere Beziehung zum Lebendigen eben auch lebendig bleiben muß!

Johannes 21, Verse 3 bis 11: Simon Petrus sagte zu den anderen: »Ich gehe fischen!« »Wir kommen mit«, sagten sie. Gemeinsam gingen sie zum See und stiegen ins Boot; aber während der ganzen Nacht fingen sie nichts. Es wurde schon Morgen, da stand Jesus am Ufer. Die Jünger wußten aber nicht, daß es Jesus war. Er redete sie an: »Kinder, habt ihr nicht ein paar Fische?« »Nein, keinen einzigen!« antworteten sie. Er sagte zu ihnen: »Werft euer Netz an der rechten Bootsseite aus! Dort werdet ihr welche finden.« Sie warfen das Netz aus und fingen so viele Fische, daß sie das Netz nicht ins Boot ziehen konnten.

Der Jünger, den Jesus besonders liebhatte, sagte zu Petrus: »Es ist der Herr!« Als Simon Petrus das hörte, warf er sich das Obergewand über, band es hoch und sprang ins Wasser. Er hatte es nämlich zum Arbeiten abgelegt. Die anderen Jünger ruderten das Boot an Land - es waren noch etwa hundert Meter - und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. Als sie an Land gingen, sahen sie ein Holzkohlenfeuer mit Fischen darauf, auch Brot lag dabei.

So sagt er dann, nachdem alles zu Ende ist, nach Karfreitag und - so erschreckend sich das für uns anhört - sogar nach dem Ostermorgen - "Ich werde jetzt fischen gehen!" "Wir kommen mit", meinten darauf die anderen. Sie stiegen ins Boot und fuhren hinaus auf den See (Johannes 21, Vers 3).

Drei Jahre nachdem sie ihre Schiffe verlassen hatten, drei Jahre nach Lukas 5, drei Jahre an Bord mit Jesus als Kapitän, sagt Petrus diesen Satz: "Ich steige aus. Ich verlasse das Schiff. Ich gehe wieder fischen" - und die anderen gingen mit.

Tief tragisch beginnt das letzte Kapitel des Johannesvangeliums: Die Gemeinde verläßt das Schiff. Die Jünger gehen von Bord. Normalerweise geht der Kapitän als letzter. Und das war ja die Tragik für Petrus und die anderen. Ihr Kapitän ist weg. Erst gekreuzigt, dann begraben und schließlich auferstanden. Und damit war Jesus für sie ja nun nicht mehr so verfügbar wie vorher. Er war da und wieder weg. Er ging durch Wände. Es war eben alles anders. Ganz anders und einfach nicht mit dem Verstand zu erfassen und so anders, daß Petrus und die anderen schließlich das Schiff verlassen.

Sie steigen aus und gehen wieder zurück. Sie wählen das Altbekannte und nehmen ihr eigenes Schiff und ihr Leben wieder selbst in die Hand.

So fahren sie auf den See. So wie sie es immer taten, so wie sie es machten, bevor sie ihn trafen, bevor sein Wort ihr Herz erreichte und die Sehnsucht in ihnen danach weckte, wie es ist, Menschen zu fischen, was ganz anderes und aufregendes zu tun, was unvorstellbares zu wagen, alles für diesen Jesus und in seinem Namen und zu seiner Ehre zu wagen.

Das alles ist jetzt vorbei und Schnee von gestern für sie. Die Reise ist zu Ende. Das Abenteuer vorbei. Der Alltag hat sie wieder, das triste graue Einerlei. So sitzen sie auf ihren Booten, werfen die Netze aus und fangen nichts. Nicht einen einzigen Fisch. Nicht einmal einen Hering. Die ganze Nacht vergebens gerudert, gewacht - vergeudete Zeit.

Und dann kommt der Morgen und der Mann am Ufer, der nach ihrem Fang fragt. Es ist furchtbar, wenn einer einem nach einer vergeudeten Nacht nach dem Ergebnis fragt. So etwas ist furchtbar deprimierend. Mit gesenktem Kopf, fast nicht zu vernehmender Stimme werden sie ihm geantwortet haben. Und dann sagt dieser Mann auch noch: "Macht's noch einmal!" - Puh - "Werft die Netzte auf der rechten Seite des Bootes aus." Sie wagen es - ich möchte nicht wissen wie - aber sie wagen es! Und es passiert, wie am Anfang, wie vor drei Jahren, wie in Lukas 5 - auf sein Wort hin - werden die Netze voll!

Und jetzt wissen sie, wer dieser Mann ist. Es ist der Kapitän. Es ist Jesus. Die Reise ist noch nicht zu Ende. Und in Wahrheit fängt sie ja jetzt erst richtig an - zumindest was die Jünger Jesu und ihren Auftrag vom Menschenfischen betrifft. Denn das fing ja tatsächlich erst nach Ostern und Himmelfahrt, eben nach Pfingsten und mit und vor allem durch den Heiligen Geist an!

In der Apostelgeschichte kann man nachlesen, wie der Heilige Geist völlig unterschiedlich begabte und ganz unterschiedliche Charaktere, ganz verschiedene Individualisten eben, zu einer starken Mannschaft zusammenschweißte. Diese Mannschaft lebte nach dem Grundsatz: Alle für einen. Einer für alle! Sie lebten alle für den Kapitän, weil der Kapitän sein Leben für sie alle gegeben hatte! So lebten sie durch und mit und für den Kapitän.

Es steht zwar in Epheser 4, Verse 15 bis 16 etwas anders, aber es ist dasselbe gemeint: Er, Christus, ist das Haupt. Durch ihn wird der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt in jedem einzelnen Gelenk. Jedes trägt mit der Kraft, die ihm zugemessen ist. So wächst der Leib und wird in Liebe aufgebaut.

Christus als das Haupt der Gemeinde und wir als einzelne als Glieder seines Leibes. Es ist dasselbe Bild. Aber vielleicht hören wir so die alte Wahrheit noch einmal neu und nehmen sie vielleicht ganz anders auf. Christus ist der Kapitän und wir sind die Mannschaft. Die Gemeinde ist sein Schiff und jeder von uns wird gebraucht und hat einen bestimmten Platz auf diesem Schiff und auch eine bestimmte Aufgabe.

Die Mannschaft auf diesem Schiff lebt nach dem Grundsatz: Alle für einen. Einer für alle! Alle leben für den Kapitän, weil der Kapitän sein Leben für alle gegeben hat! So leben sie durch und mit und für den Kapitän auf diesem Schiff, daß sich Gemeinde nennt.

An Bord dieses Schiffes sind nur Freiwillige. Es sind Berufene, die vom Kapitän selbst gerufen wurden, so wie damals die 12 in Lukas 5. Sie ehren und folgen ihm als ihren Kapitän und sie lieben ihn heiß und innig wie einen Freund.

Die Mannschaft auf diesen Schiff verläßt sich ganz und gar auf ihren Kapitän und folgt dem Kurs, den er allein vorgibt. Ohne Wenn und Aber folgt die Mannschaft seinen Anweisungen.

Die Mannschaft muß sich aber auch aufeinander verlassen können. Denn das ist tödlich für eine Schiffsbesatzung, wenn sich da der eine nicht auf den anderen verlassen kann. Das ist der Untergang. Das ist Titanic!

Jeder von der Besatzung muß auf seinen Platz sein und seine Aufgabe erfüllen. Es können nicht alle am Steuer stehen. Es können nicht alle die Segel hissen. Es können nicht alle das Deck schrubben. Es können nicht alle das Essen kochen. Es können nicht alle den Anker lichten, die Maschine bedienen usw.

Aber das Steuer muß bedient werden, die Segel müssen gehisst werden, das Deck muß geschrubbt werden, das Essen muß gekocht werden, der Anker muß gelichtet werden und die Maschine muß bedient werden, usw.

Jeder von der Besatzung hat seinen Platz und seine Aufgabe. Es kommt auf jeden an!

 

Seit Jahren fahre ich - wie viele andere von uns - nach Langeoog - mit dem Schiff versteht sich, den Langeoog ist eine Insel und ab Bensersiel anders nicht zu erreichen.

Dort finden jedes Jahr im Herbst die Rüstzeiten für die Pastoren, Ältesten und leitenden Mitarbeiter unseres Bundes Freier evangelischer Gemeinden statt. Die meisten Veranstaltungen finden im Haus der Insel statt. Direkt gegenüber vom Haus der Insel steht ein Schiff. Mitten auf dem Land. Und dazu noch ein Seenotkreuzer. Dieser Seenotkreuzer ist von einem hohen Zaun umgeben, der ihn vor dem unbefugten Betreten schützt. Seit 15 Jahren habe ich jedes Jahr dieses Schiff gesehen. Wenn ich zu einem Vortrag ins Haus der Insel ging, oder daran vorbei zum Strand und ans Meer.

Letztes Jahr hat dieses Schiff mir eine Predigt gehalten. Und ich frage mich seitdem, ob es sein könnte, daß dieses Schiff ein prophetisches Bild unseres Gottes für den Bund Freier evangelischer Gemeinden ist und damit ja auch für mich und für uns.

Da predigt dieser Seenotkreuzer Jahr um Jahr ganz still nur durch sein Dasein hunderten von leitenden Mitarbeitern unserer Gemeinden, was wir sind und sein sollen.

Das ist doch nicht normal: Ein Schiff ohne Wasser! Das ist doch grausam für alle die in Seenot sind: Ein Seenotkreuzer mitten auf der Insel. Das ist doch Wahnsinn: Das man ein Schiff einzäunt, vielleicht aus Angst, es könnte sich zum Meer und seiner Bestimmung fortbewegen?

Ja wir sind gerufen, von IHM gerufen, auf sein Schiff gerufen zum Menschenfischen, zum Rettungsdienst auf einem Seenotkreuzer. Bei Wind und Wetter, bei Sonne und Sturm haben wir nur eine Aufgabe - Menschen zu retten, denn dazu sind wir berufen, auf dieses Schiff, daß sich Gemeinde nennt.

Klar es ist nicht jeder unmittelbar an der Rettung Schiffbrüchiger beteiligt. Da gibt es viele, die ganz andere Aufgaben erledigen, damit diese eine Aufgabe erfüllt werden kann. Klar, da ist auch nicht jeder und rund um die Uhr mit Arbeit beschäftigt. Schließlich gibt es an Bord dieses Schiffes nicht nur einen Speisesaal, es gibt ja auch Kojen und ein Lazarett ist auch an Bord.

Sicher, es ist kein Traumschiff und kein Luxusliner. Es ist ein Seenotkreuzer und tatsächlich unsinkbar und deshalb nun auch wirklich von der Titanic zu unterscheiden.

 

Bei diesem Schiff ist einiges anders:

So kennt die Mannschaft vorher nicht den Kurs. Auch die auf der Brücke kennen ihn nicht. Selbst der Steuermann hat keine Ahnung. Den Kurs bestimmt allein der Kapitän nach seinem Plan. Wir kennen zwar das Ziel der Reise, aber die vielen Zwischenstationen auf dem Weg, erfahren wir erst auf der Fahrt, und zwar Tag für Tag. Es geht nicht einfach geradeaus. Es geht nach seinem Plan.

Das Schiff hat auch keinen Motor. Es lebt vom Wind und nicht von der eigenen Stärke. Es ist und bleibt angewiesen auf den Wind. Nur der Wind treibt das Schiff an. Mit der eigenen Stärke ist nichts zu wollen. Wir können rudern so viel wir wollen, wir werden damit das Schiff nicht bewegen. Es muß mit dem Wind fahren. Es braucht Rückenwind. Auf den Wind müssen wir achten, um den Kurs zu erkennen. Manchmal gibt's einfach Ruhezeiten und eine stille See. Da geht gar nichts mehr. Und da muß auch nichts mehr gehen. Manchmal geht's mit Volldampf voraus. Aber das liegt eben einzig und allein am Kapitän und am Wind, an seinem guten Heiligen Geist. Die arbeiten zusammen, die sind ein Team!

 

Wenn die nicht so teuer wären, hätte ich sie für jeden von uns gekauft, als Erinnerung und zum Behalten: Fisherman's Friend. Darum geht's: Wir sind des Fischermanns Freunde, des Menschenfischers Jesus.

Von ihm sind wir eingeladen an Bord seines Schiffes zu kommen, um Menschen zu fischen.

Das ist meine Vision.

 

Das ganze ohne Bild:

Vision:

Menschen zu Jesus führen, so daß sie in der Kraft des Heiligen Geistes als hingegebene Nachfolger Jesu leben lernen und so Gott, den Vater, einander und die Kinder der Welt leidenschaftlich lieben.

 

Das ist meine Vision. Das ist der Auftrag der Gemeinde Jesu. Dafür stehe ich.

Ich stehe nicht für eine überdrehte charismatische Gemeinde und ich stehe auch nicht für eine traditionelle Betreuungsgemeinde zur Verfügung. Ich stehe für diese Vision und dieses Bild vom Seenotkreuzer zur Verfügung. Für etwas anderes bin ich nicht zu haben!

 

Ich empfinde es als aufregend, daß es in der 125 Jahr-Feier unseres Bundes Freier evangelischer Gemeinden vom 10. bis 12. September dieses Jahres in Essen in der Gruga eine gemeinsame Zielerklärung über die Ziele und Arbeitsschritte der Freien evangelischen Gemeinden für den Beginn des nächsten Jahrtausends geben wird.

In dieser Zielerklärung werden vier Schwerpunkte genannt, die viele von uns gut kennen, denn nach diesen vier Werten und Zielen arbeiten wir hier in der Gemeinde seit über fünf Jahren!

 

Werte & Ziele:

LEBEN AUS GOTTES KRAFT

mit dem Ziel, geistlich kraftvolle Gemeinde zu sein

LIEBE

mit dem Ziel, liebende Gemeinde zu sein

NACHFOLGE

mit dem Ziel, Jesus nachfolgende Gemeinde zu sein

Mission

mit dem Ziel, missionarische Gemeinde zu sein

 

Ist das nicht aufregend!

 

Dahinein gehört ja auch all das, was unsere fünf sogenannten Noname-Gruppen angedacht und auf den Weg gebracht haben:

 

Werte & Konkretion:

LEBEN AUS GOTTES KRAFT

Gebet

Kraft Gottes

LIEBE

Miteinander / Liebe üben / Kommunikation

NACHFOLGE

Hingabe

Kleingruppenkonzept / Mitarbeiterpflege

MISSION

Junge Generation

Missionarischer Lebensstil

 

Sie konkretisieren noch einmal diese vier Werte und Ziele, denen wir uns als Gemeinde verschrieben haben. Sie zeigen die Schwachpunkte auf, die einfach beim Umsetzen der vier Werte und Ziele entstanden sind und machen deutlich, woran wir als Gemeinde jetzt konkret zu arbeiten haben.

Dabei dürfen wir niemals die Vision aus dem Auge verlieren! Bei allem, was auch immer wir in der Gemeinde tun, geht es um unsere Vision: Menschen zu Jesus führen, so daß sie in der Kraft des Heiligen Geistes als hingegebene Nachfolger Jesu leben lernen und so Gott, den Vater, einander und die Kinder der Welt leidenschaftlich lieben.

Zuschauen ist dabei furchtbar langweilig! Einsteigen und mitfahren, abfliegen und ablegen eine ganz andere Sache! Spannend und zugleich voller Risiko!

Aber es gibt keinen Aufbruch ohne Risiko. Sicher habe ich, haben wir Fehler gemacht. Und sicher werde ich und viele andere von uns dabei noch Fehler machen. Es gibt keinen Aufbruch ohne das Fehler gemacht werden. Das wir heute die Glühbirne haben, verdanken wir wer weiß wie vielen tausend erfolglosen und fehlerhaften Versuchen des Thomas Edison. Es gibt keinen Aufbruch ohne das Fehler gemacht werden.

Und es tut mir wirklich leid, wo ich den einen oder anderen von Euch verletzt oder vor den Kopf gestoßen habe, wo ich den einen oder anderen von Euch enttäuscht oder geärgert habe. Es tut mir wirklich leid. Und ich bitte euch um Vergebung.

Ich bin nicht perfekt und ich werde wieder Fehler machen und ich brauche euch, damit das gelingt, was unsere Bestimmung ist!

 

Es gibt eine interessante Werbung von einer Versicherung zum Thema Aufbruch und den ersten Schritt wagen und immer wieder erscheint dort die Frage, warum manche den ersten Schritt wagen. Das ist eigentlich genau das, wozu Jesus uns jetzt einlädt. Zum Aufbruch, den ersten Schritt zu wagen, es wieder und trotzdem zu wagen, so wie die Zwölf von damals.

 

240.000 Menschen leben in dieser Stadt. Wie viele davon kennen Jesus?

 

Wo wären wir ohne Jesus?

Wo wären wir ohne den Menschen, der uns an Bord des Schiffes geholt hat, der uns rausgeholt hat aus dem Meer unserer Sinnlosigkeit? Wo wären wir, wenn uns da keiner was von Jesus erzählt hätte?

Und wo wären wir heute ohne unsere Schwestern und Brüder, die uns an die Hand nehmen und Mut machen, daß wir weiter machen mit Jesus, daß wir an Bord und bei der Mannschaft bleiben?

Wo wären wir? Wo wären wir ohne Jesus? Wo wären wir ohne den Menschenfischer und seinen Freunden?

 

Wißt ihr, was wir machen werden, wenn wir am Ziel unserer Reise im Himmel angekommen und bei Jesus sind?

Wir werden unseren Kapitän feiern! Eine Ewigkeit lang!

Und dann, nach dieser ersten Ewigkeit, wird Jesus zu uns kommen zu Dir und zu mir und er wird uns seine Hand auf unsere Schulter legen und dann wird er uns sagen: "Jetzt zeige ich dir, weshalb dein Leben nicht sinnlos war und weshalb es sich gelohnt hat, daß Du in mein Schiff der Gemeinde eingestiegen bist."

Dann wir werden sehen und verstehen, wie unser armseliges Zeugnis in Wort und Tat, wie unser schüchternes und klägliches Bekennen, wie unser Reden und Leben für andere Menschen wichtig war und wie wertvoll unser Leben war; der eine Artikel im Gemeindebrief vielleicht oder das Gebet das wir sprachen und von dem keiner was wußte, daß wir einem anderen die Hand zur Versöhnung reichten und das selbst unser ehrliches Lächeln nicht vergeblich war.

Dann werden wir sehen und verstehen, wie wichtig, wertvoll und unvergänglich all das ist, was wir auch immer aus Liebe heraus für Jesus und die Menschen taten.

 

Jetzt muß jeder seine Entscheidung treffen. Zuschauen oder einsteigen. Es ist Zeit, sich zu entscheiden, denn das Schiff legt ab!



Krefeld, den 24. Januar 1999
Pastor Siegfried Ochs



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