Matthäus 6, Vers 9: Vaterunser (1) (als mp3) (als pdf)

 

Es gibt einiges, was wir Christen nur zusammen machen können: das Abendmahl feiern, zum Beispiel. Niemand kann für sich allein das Abendmahl feiern. Es erinnert uns nicht nur an das Sterben Jesu. Es ist eben zugleich auch immer ein Gemeinschaftsmahl und macht somit unmissverständlich deutlich, dass unser Miteinander mit unserer Beziehung zu Jesus steht und fällt.

 

Auch die Taufe ist nicht allein unter der Dusche zu haben. Niemand kann sich selbst taufen. Auch die Taufe gehört hinein in eine christliche Gemeinschaft.

 

Auch das bekannteste Gebet kann man nicht für sich allein sprechen. Allein der Anfang macht das schon deutlich. Matthäus 6, Vers 9 (EU):  So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name. So lehrt Jesus in der Bergpredigt laut Matthäus das Vaterunser. Lukas bezeichnet dagegen das Vaterunser als Antwort Jesu auf die Bitte der Jünger, Lukas 11, Vers 1 (EU): Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat! Wahrscheinlich haben beide recht. Das Vaterunser gehört sicherlich mitten hinein in die Bergpredigt, dieser gewaltigen Rede Jesu, die sogar bis in unsere Zeit und bis in die Politik hineinwirkt, so dass die Frankfurter Allgemeine Zeitung die gesamte Bergpredigt abdruckte.

 

Daneben dürfte Jesus sicherlich seinen Jüngern dieses Gebet – das die Welt umspannt – immer wieder als Leitfaden für ihr eigenes Gebetslebens vorgestellt haben. Wir lernen nun mal am besten durch Wiederholungen.

 

Bevor Jesus das Vaterunser lehrt, macht er auf zwei Gefahren beim Beten aufmerksam:

 

- Auf das heuchlerische Gebet

Matthäus 6, Vers 5a (HfA):  Und wenn ihr betet, dann tut das nicht wie die Heuchler! Sie beten gern öffentlich in den Synagogen und an den Straßenecken, um von den Menschen gesehen zu werden.

 

- Auf das gedankenlose Gebet

Matthäus 6, Vers 7 (HfA):  Leiere nicht gedankenlos Gebete herunter wie Leute, die Gott nicht kennen. Sie meinen, sie würden bei Gott etwas erreichen, wenn sie nur viele Worte machen.

 

Statt gespielt und gedankenlos, soll unser Gebet echt und ehrlich sein. Beten darf niemals – so sagt es der Bergprediger – um anderer Menschen willen geschehen, als Darstellung der eigenen Frömmigkeit – wie das z. B. beim Pharisäer im Tempel der Fall war.

 

Beten darf niemals – so sagt es der Bergprediger – magisch missbraucht werden, um sich Gott wie einen Automaten gefügig zu machen – wie das z. B. bei den Propheten des Baal auf dem Karmel (1. Könige 18, Verse 25 bis 29) der Fall war.

 

Stattdessen gibt uns Jesus mit dem Vaterunser einen Leitfaden fürs Beten an die Hand.

 

„Irgendwo in einer Wüste Nordafrikas wanderte ein weißer Mann. Er war - das sah man sofort an der großen Bibel, die er unter dem Arm trug - Missionar und gerade unterwegs von einem Stamm zum nächsten, als er plötzlich hinter sich ein furchtbar lautes und hässliches Gebrüll hörte.

 

Nanu, überlegte er sich, was mag das sein? So laut und so abscheulich klingend? Das Musikantenstadel mit Ernst Mosch kann man doch hier in Afrika gar nicht empfangen?

 

Er grübelte und überlegte, und dabei ging er - für alle   Fälle - schon mal ein bisschen schneller.

 

Plötzlich aber kam er drauf: Afrika - Wüste - Gebrüll = Löwe!

 

Er war ein vernünftiger Mann, und darum begann er zu rennen. Ziemlich schnell sogar. Man könnte auch sagen, er galoppierte, was das Zeug hielt.

 

Sein Gepäck und seine große Bibel landeten am Wegesrand, und er lief und lief und lief...

Leider merkte er dabei ziemlich,schnell, dass das hässliche Gebrüll auch lief und lief und peinlicherweise anscheinend genau in seine Richtung.

 

Außerdem wurde es immer lauter, und als kluger Mann konnte er daraus nur zwei Schlussfolgerungen ziehen:

 

1. Das war nicht ein Löwe, das klang nach etlichen Löwen, und 2. diese Löwen waren eindeutig besser trainiert als er.

 

Da - auf einmal - zuckte ihm ein Gedanke durchs Hirn. Ich bin doch ein Mann aus dem christlichen Abendland, warum beginne ich jetzt nicht zu beten, um ein Wunder zu flehen?

 

Gedacht, getan! Am nächsten Felsenblock warf sich unser Mann auf den Boden, schloss die Augen und faltete die Hände und begann zu rufen: 'Oh, Gott, im Himmel, bitte schenk, dass diese Löwen hinter mir sich einmal in ihrem Leben als christliche Löwen erweisen, wirke es bitte, dass sie sich jetzt christlich verhalten!'

 

Als er die Augen wieder öffnete, war es um ihn herum ganz still. Er schaute direkt auf zwölf riesige Löwen, die im Kreis um ihn herum saßen, alle zwölf mit gefalteten Pfoten, und der größte von  ihnen begann gerade zu sprechen: 'Segne Vater, diese Speise uns zur Kraft...'“

 

Äußerlich gesehen waren diese Löwen durchaus christlich. Aber waren sie deswegen schon Christen, nur weil sie vorm Essen beteten?

 

Martin Luther hat einmal gesagt: „Das Vaterunser ist der größte Märtyrer de Kirche! Kein Gebet wurde so oft missbraucht und nur nachgeplappert, wie das Vaterunser!“

 

So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel. Wenn Jesus uns im Vorspann des Vaterunsers davor warnt, nicht heuchlerisch oder gedankenlos zu beten, gibt er uns damit keinen Bewertungsmaßstab für die falsche oder richtige, für die gespielte oder echte Frömmigkeit anderer an die Hand, sondern er ruft uns zur eigenen Selbstprüfung auf.

 

Und genau an dieser Stelle können wir selbst ganz schnell zu Pharisäern werden, wenn wir uns selbst nicht mehr in Frage stellen, sondern stattdessen andere beurteilen.

 

Dabei werden wir sicherlich immer wieder neu durch andere provoziert und im besten Fall irritiert und so zum Nachdenken herausgefordert.

 

Ich werde sicherlich diesen einen Neujahrsgottesdienst bei uns nicht vergessen, wo auf einmal bei der Feier des Abendmahls sich einige hinknieten und in dieser Haltung das Abendmahl nahmen. Ihnen war das in diesem Moment ganz wichtig und nach diesem Gottesdienst hatte ich mehr als eine Woge zu glätten.

 

Daneben war ich völlig perplex, als die Sängerin Inge Brück unmittelbar vor einem Konzert im Haus des Gastes in Bad Laasphe mich im Vorzimmer des Kurdirektors fragte, ob wir noch das Vaterunser beten können. Vor einem Konzert hatte ich mit den beteiligten Künstlern meines Wissens weder vorher noch nachher jemals das Vaterunser gesprochen.

 

Aber das hier hatte eine heilige Atmosphäre an diesem ungewöhnlichen Ort und unmittelbar vor diesem besonderen Konzert. Danach trat sie auf die Bühne vor lediglich 80 Besuchern in einem Saal, wo Cae Gauntt 580 Besucher fesselte. Sie sang von der Liebe dieses Vaters, der sein Herz an uns verloren hat.

 

Ich habe ungezählte Konzerte in diesem Saal verantwortet, aber keins hat mich so beeindruckt wie dieses Konzert von Inge Brück vor diesem Minipublikum. Dabei war die heute 88jährige Inge Brück keine Unbekannte.

 

1967 vertrat sie Deutschland mit dem Lied Anouschka beim Eurovision Song Contest in Wien. Für das ZDF war sie 1970 in der Vorabendserie Miss Molly Mill zu sehen.

 

Mit anderen Künstlern wie zum Beispiel Katja Ebstein und Peter Horton gründete sie die Initiative Künstler für Christus. Heute lebt sie in Meschede im Sauerland.

letzter Zugriff 8.1.2025: https://de.wikipedia.org/wiki/Inge_Br%C3%BCck

 

Vor ihrem Konzert war sie mit ihren Mitarbeitern noch bei uns zum Abendessen und unser über uns wohnendes Hausmeisterehepaar war auch dabei. Wir redeten über Gott und die Welt und auf einmal – mitten im Gespräch – betete einer ihrer Mitarbeiter. Es war ein fließender Übergang ohne Amen am Ende und einem „wir wollen beten“ am Anfang und keiner hatte dabei die Augen zu. Es war so, als säße Gott einfach mit am Tisch und es würde sich gehören, sich jetzt auch ihm einmal zuzuwenden.

 

Beide Erfahrungen haben mich damals völlig irritiert. Aber sie haben mich heilsam herausgefordert.

 

Wir sollten uns davor hüten, die Gebetsform anderer zu beurteilen. Jesus geht es hier in Matthäus 6 weder um die Gebetshaltung, ob stehend, kniend oder sitzend, ob mit erhobenen oder mit gefalteten Händen, mit offenen oder geschlossenen Augen, noch um die Gebetsform, ob frei oder abgelesen. Ihm geht es um unsere Wahrhaftigkeit beim Beten, wie überhaupt in unserem Leben und in unserem Glauben.

 

Für Jesus ist nicht die Form, sondern unsere Herzenshaltung entscheidend, nicht die Wortwahl sondern die Liebesbeziehung zu Gott.

 

So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel. Damit zeigt Jesus die Richtung an: Voller Vertrauen und voller Respekt. Der große heilige Gott, dessen persönlichsten Namen „Jahwe“ die Juden bis heute nicht wagen in den Mund zu nehmen, ist durch das Sterben Jesu Christi zu unserem Vater geworden. Wir dürfen Vater zum Heiligen Gott sagen.

 

Durch den Tod und die Auferstehung Jesu hat der lebendige Gott uns die Hand zur Versöhnung entgegengestreckt. Wer sie im Glauben ergreift, wer Jesus zu seinem Ein- und Alles erklärt, wird als Kind Gottes adoptiert und darf Vater zu Gott sagen.

 

Wie Kinder voller Vertrauen und manchmal hemmungslos, so dürfen Christen mit Gott, ihrem Vater – ihrem Papi - sprechen, dürfen ihm alles sagen, dürfen ihm ihr Herz ausschütten, dürfen einfach Kind beim väterlich mütterlichen Gott sein.

 

So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel. Nun hat Jesus uns gesagt, dass wir wie Kinder zu Gott dem Vater kommen dürfen, zu dem Vater, der im Himmel ist. Diese beiden Worte dürfen wir nicht übersehen:

 

- Damit wird deutlich, dass Gott, der Vater niemals mit menschlichen Vätern verwechselt werden kann. Nicht an unseren Vätern und Müttern hat sich Gott zu messen, sondern wir haben uns am Vater im Himmel zu orientieren.

 

- Zum anderen wird damit aber bei aller Nähe - die Kinder zu ihrem Vater haben dürfen und die Christen zu Gott haben können - Respekt und auch notwendige Distanz angedeutet.

 

So eng wie die Beziehung eines Kindes zu seinem Vater darf unsere Gottesbeziehung sein. Dabei darf Gott aber niemals zu einem Kumpel verkommen, mit dem wir respektlos umgehen. Auch als Kinder Gottes bleiben wir Menschen und werden niemals gottebenbürtig. Gott bleibt Gott – auch als unser uns liebender Vater, für uns und mit uns und manchmal in heilsamer Weise auch gegen unsere eigenen Pläne.

 

So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel. Neben dem Abendmahl, das keiner für sich allein feiern kann, zeigt uns Jesus im Vaterunser, dass keiner den Vater im Himmel losgelöst von seinen Brüdern und Schwestern haben kann. Wer das Vaterunser betet, sagt damit immer zugleich JA zur Gemeinde, zu seinen Brüdern und Schwestern. Alles andere wäre laut Jesus gelogen!

 

Wir sind als Christen überreich von Gott beschenkt, mit der Vergebung unserer Schuld, mit einem Festmahl, das uns daran erinnert, mit der Taufe, die uns zeichenhaft mit Jesus sterben und auferstehen lässt und mit einem Gebet, das uns mit allen Christen weltumspannend verbindet.

So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel.

 

Das ist ein mächtiges trotziges Wort, ein Dennoch und ein Trotzdem, ein Bekenntnis der Hoffnung, oder mit den Worten des Schriftstellers Reinhold Schneider aus dem Jahr 1936, der dem Widerstand gegen Hitler angehörte:

 

Allein den Betern kann es noch gelingen, das Schwert ob unseren Häuptern aufzuhalten und diese Welt den richtenden Gewalten durch ein geheiligt Leben abzuringen.

 

Denn Täter werden nie den Himmel zwingen: Was sie vereinen, wird sich wieder spalten, was sie erneuern, über Nacht veralten, und was sie stiften, Not und Unheil bringen.

 

Jetzt ist die Zeit, da sich das Heil verbirgt, und Menschenhochmut auf dem Markte feiert, indes im Dom die Beter sich verhüllen.

 

Bis Gott aus unsern Opfern Segen wirkt und in den Tiefen, die kein Aug entschleiert, die trocknen Brunnen sich mit Leben füllen.“

letzter Zugriff 8.1.2025: https://www.planetlyrik.de/lyrikkalender/reinhold-schneiders-gedicht-allein-den-betern-kann-es-noch-gelingen/

 

Das Vaterunser ist ein Gebet, das aus sieben Bitten besteht. In der ersten Bitte geht es um den Namen Gottes. Matthäus 6, Vers 9 (EU):  So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel, dein Name werde geheiligt.

 

Martin Luther hat einmal gesagt: „Gottes Name ist schon heilig. Nun geht es darum, dass er auch bei uns persönlich geheiligt werde.“

 

Der Begriff „geheiligt“ bedeutet „heilig machen, weihen, jemanden als heilig behandeln“. Das Wort „Heilig“ bedeutet neben „rein und sündlos“ eben auch „für Gott zur Verfügung“ stehen.

 

So geht es in der ersten Bitte des Vaterunsers also eigentlich darum, dass wir Gott als unseren Herrn ernst nehmen. Nichts anders drückt das erste Gebot aus: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!“

 

Man kann übrigens gut die zehn Gebote neben die sieben Bitten des Vaterunsers legen und sie so miteinander auslegen und erklären.

 

So formuliert zurecht die Hoffnung für alle (HfA): Ihr sollt deshalb so beten: Unser Vater im Himmel! Dein heiliger Name soll geehrt werden und die Gute Nachricht (GNB) übersetzt: So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel! Mach deinen Namen groß in der Welt.

 

Damit wird schon deutlich, dass es diese erste Bitte in sich hat. Zum einen ist dies eine Bitte, die ganz bestimmt in Erfüllung gehen wird. Ob wir sie ernst nehmen und dafür beten oder nicht. Am Ende der Zeiten werden alle Menschen ihre Kniee vor Gott beugen und bekennen müssen, dass Gott allein der Herr ist und jede Zunge wird bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist. Somit ist die erste Bitte des Vaterunsers eine klassische endzeitliche Bitte mit der Gewissheit, das Gott selbst für seine Erfüllung am Ende der Zeit sorgen wird.

 

Die einen werden begeistert Gott als ihren Herrn und Retter feiern. Die anderen müssen zähneknirschend zugeben, dass sie sich geirrt haben und es tatsächlich einen Gott im Himmel gibt.

 

Daneben hat diese Bitte aber auch einen missionarischen Charakter. Es geht darum, den Namen Gottes bekannt zu machen und entsprechend attraktiv als Christ im Hier und Jetzt zu leben.

 

Wir Christen fungieren dabei quasi wie ein Navi für unsere Zeitgenossen, um sie auf den lebendigen und persönlich erfahrbaren Gott hinzuweisen, der uns in Jesus Christus eine eindeutige Wegbeschreibung an die Hand gegeben hat. Wenn wir dabei allerdings nicht vom Heiligen Geist erfüllt sind und auf die Impulse des Geistes Gottes dabei achten, werden wir ähnlich wie mein alter Navi Menschen vor eine Wand lotsen oder sie an einer Weggablung im Stich lassen.

 

Den Namen Gottes heiligen bedeutet meines Erachtens dreierlei:

1. Gott als Autorität in meinem Leben respektieren

 

2. Gott durch mein Leben verherrlichen

 

3. Gott durch Wort und Tat anderen bekannt machen

 

Damit geht es bereits bei der ersten Bitte des Vaterunsers um das komplette Programm eines Christenmenschen in der Nachfolge Christi.

 

Gott soll mein ein und alles sein, weil Gott durch das, was er in Jesus Christus für mich getan hat, mir seine bedingungslose Liebe geschenkt hat. Wie kann ich mich dieser Liebe entziehen, die mich niemals aufgibt, die mir immer wieder aufhilft, die mich jeden Tag neu aufstehen lässt, die in mir die Auferstehungskraft Jesu wirksam werden lässt bis hin zum jüngsten Tag, an dem ich endgültig zum ewigen Leben auferstehen werde.

 

Gott soll sich wie in einem Spiegel in meinem Leben widerspiegeln. Alles, was ich sage, was ich denke, was ich fühle, was ich tue, soll ihn – meinen Vater und den Schöpfer Himmels und der Erden - widerspiegeln. Mein Leben will ich als Dankesbrief an den lebendigen Gott schreiben.

 

Ich wünsche mir Mut, meinen Mund immer wieder aufzutun und meine Hände immer wieder zu öffnen, damit auch andere Gott so erleben und erfahren und ihn als den erleben, den ich kenne: als väterlich-mütterlichen Gott, der uns unendlich liebt und uns Hoffnung und Zukunft schenkt. Amen.