So wie in der Regel jeder Gottesdienst einen uns allen bekannten Ablauf hat: Begrüßung, Eingangsteil, Ansprache, Bekanntmachungen, Kollekte und den Segen zum Abschluss; so hat in der Regel auch jeder neutestamentliche Brief seinen festen Aufbau: Anschrift und Gruß, Hauptteil, Segen und Gruß zum Abschluss.
So wie der Segen am Ende eines Gottesdienstes mehr ist als nur der Abschluss einer religiösen Erbauungsstunde am Sonntagvormittag, so ist auch der Briefschluss eines neutestamentlichen Briefes mit Segenswort und Grüßen mehr als nur eine nette Floskel, die man sich auch schenken könnte.
Die Segensan- und Zusage – ob gesprochen oder geschrieben – ist immer ein Machtwort, weil der Allmächtige dahinter steht. Sie wirkt Segen, weil Gott ihn selbst bewirkt. Das Segenswort ist die Bitte an Gott um Erhörung. Dieses Wort ist unwiderruflich und kann nicht zurückgenommen werden. Wer unter den Segen Gottes gestellt wird, wird damit in den Schutz- und Machtbereich Gottes hineingestellt.
Das Segenswort ist also eine machtvolle, unwiderrufliche Bitte an Gott zu segnen mit Gottes fester Zusage, dieses auch zu tun!
Somit ist der Segen zum Abschluss eines Gottesdienstes fast wie eine göttliche Vitaminspritze für die neue Woche und der Abschluss unseres Thessalonicherbriefes fast so etwas wie göttliche Vollwertkost für den Rest des Jahres.
1. Thessalonicher 5, Vers 23 bis 28 (Einheitsübersetzung): Der Gott des Friedens heilige euch ganz und gar und bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt, damit ihr ohne Tadel seid, wenn Jesus Christus, unser Herr, kommt. Gott, der euch beruft, ist treu; er wird es tun.
Brüder, betet auch für uns!
Grüßt alle Brüder mit dem heiligen Kuss!
Ich beschwöre euch beim Herrn, diesen Brief allen Brüdern vorzulesen.
Die Gnade Jesu Christi, unseres Herrn, sei mit euch!
Nach den 17 praktischen Anweisungen der Verse 12 bis 22 beendet Paulus mit seinen beiden Mitarbeitern Silvanus und Timotheus seinen Brief mit dem konkreten machtvollen Segensgebet für die junge Christengemeinde in Thessalonich.
Diese Drei greifen in ihrem Segensgebet für die Gemeinde nochmals den Kerngedanken dieses Briefes aus Kapitel 4, Vers 3 (Einheitsübersetzung) auf:
Das ist es, was Gott will: eure Heiligung.Dabei geht es um mehr als nur um einen äußeren Status, dass man als Christ zu den Heiligen gehört, weil Jesus ja für unsere Schuld mit seinem Blut bezahlt hat und wir deshalb Bürger eines neuen und kommenden Landes sind.
Es geht bei der Heiligung quasi um eine Art „Gütesiegel“, vergleichbar den entsprechenden Aufklebern auf allen möglichen Verbrauchsgütern, die uns sicher darüber informieren, dass dieses oder jenes Produkt eben umweltfreundlich, fair gehandelt, nicht genmanipuliert oder pestizidfrei ist.
Genauso sollen andere Menschen an uns Christen Gottes Gütesiegel entdecken: Unsere Heiligung, dass wir zu dem heiligen Gott gehören, und dies nicht nur äußerlich - wenn andere uns über die Schulter schauen - sondern ganzheitlich, alltäglich, in jeder Lebenslage und dies rund um die Uhr.
Dabei macht gerade dieses Segensgebet deutlich: Es geht nicht um unsere menschliche Anstrengung und Leistung dabei. Der Gott des Friedens will uns heiligen, verändern, umgestalten, reinigen, bewahren, so dass wir wirklich als Kinder Gottes in dieser Zeit und Welt erkannt werden, als Menschen der Hoffnung und der Zukunft, als Menschen, die einen neuen Geist, den Geist Gottes in sich tragen und damit eine andere und neue Gesinnung haben, die sich nicht mehr als Nachfolger des einen oder anderen Stars sondern als konsequente Christusjünger outen.
Der Gott des Friedens soll uns heiligen. Der Gott des Schalom. Friede, Schalom meint mehr als nur die Abwesenheit von Krieg. Schalom bedeutet Versöhnung und ist immer ganzheitlich gemeint: Versöhnung mit Gott und seinen Mitmenschen, Versöhnung aber auch mit sich selbst und seinen jeweiligen Lebensumständen und der Familie, aus der man kommt, Versöhnung mit seinen finanziellen Mitteln, seinem Körper und seinem sozialen Status.
Das ist genau das, was Friedrich Christoph Oetinger meint:
Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann.Gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann.
Und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
© Friedrich Christoph Oetinger (1702 - 1782), evangelischer Theologe
Wer im Schalom Gottes lebt ist innerlich zufrieden. Er ist befriedet. Er ist glücklich. Denn er lebt im Frieden mit Gott, den Menschen und sich selbst. Er ist zur Ruhe gekommen und von daher innerlich ausgeglichen und entspannt, auch wenn es um ihn herum drunter und drüber gehen mag. Der Schalom Gottes bedeutet für mich nicht paradiesische Zustände, sondern die bewusste Annnahme meines derzeitigen Lebens aus Gottes Hand. Dieser innere Frieden, der nach außen strahlt, ist ohne den Gott des Friedens und Christus, dem Friedensfürst nicht denkbar. Die Erfahrung dieser inneren Gelassenheit steht und fällt mit meiner Christusbeziehung.
Dieser Gott, der Gott des Schalom will uns heiligen, ganz und gar: Unseren Geist, unsere Seele und unseren Leib.
Dies ist nur eine von vielen Stellen in der Bibel, die deutlich machen, dass Leibfeindlichkeit eines Christen unwürdig ist! Gott ist daran interessiert, uns ganz und gar und eben nicht nur unseren Geist und unseren Verstand, sondern auch unsere Emotionen und Triebe, unsere Träume und Sehnsüchte, unsere Bedürfnisse und unseren Charakter zu heiligen. Gottes Heiliger Geist ist sich nicht zu schade dafür, unseren Leib zu seinem Tempel zu erklären
(1. Korinther 3, Vers 16).Kein Teil unseres Menschseins ist unwichtig oder zweitrangig. Gott ist daran interessiert, uns ganz und gar, mit unserem Geist, mit unserer Seele und unserem Leib zu heiligen und so zu bewahren, dass wir am letzten Tag der Weltgeschichte, wenn Jesus wiederkommt und Gottes neue Welt anbricht, untadelig vor dem heiligen Gott stehen können. Oder anders gesagt: Gott möchte stolz auf uns sein, wie wir unseren Verstand, unsere Emotionen und unsren Körper zu seiner Ehre einsetzen. Dazu müssten wir uns natürlich zuerst einmal selbst so akzeptieren, wie wir sind, mit unserem entsprechendem IQ, dem Auf- und Ab unsere Gefühlswelt und eben auch mit unserem Aussehen, angefangen vom Körpergewicht bis hin zur Nasenlänge.
Paulus betet dafür, dass, wenn Jesus wiederkommt, er uns anschauen kann und zu Dir und zu mir sagt: „Super!“ Du bist mit dem, was ich Dir geschenkt und anvertraut habe, mit Deinem Verstand und Deinen Emotionen und auch mit Deinem Körper richtig gut umgegangen. Du hast Deine Möglichkeiten genutzt. Du warst nicht neidisch auf andere. Du hast nicht gejammert. Du hast Dich bejaht, akzeptiert und so angenommen, wie ich Dich geschaffen und erdacht habe. Du hast mir Freude gemacht, und Du warst für andere ein Segen, auch wenn Du das oft nicht mitbekommen hast.
Nochmals macht Paulus deutlich: Es geht nicht um unsere menschliche Anstrengung dabei. Sondern der Gott, der uns zu diesem Leben der Heiligung und Nachfolge berufen hat, der uns aus dieser Welt herausgerufen und in sein Reich gerufen hat, der ist treu und wird uns bewahren und durchbringen trotz aller Niederlagen, die jeder einzelne von uns immer wieder erleben und erleiden muss. Dennoch und trotzdem kommt Gott zu seinem Ziel mit uns. Manchmal sogar gegen unseren Willen.
Nach diesem intensiven Segensgebet von Paulus, Silvanus und Timotheus für die junge Christengemeinde in Thessalonich bitten diese Drei jetzt im Gegenzug um die Fürbitte der Gemeinde, Vers 25:
Brüder, betet auch für uns!Der große Paulus und seine beiden gestandenen Mitarbeiter sind sich nicht zu schade, die Frischlinge in Sachen Glauben und Nachfolge aus Thessalonich um ihre Fürbitte für ihren Dienst der Gemeindeleitung und Mission zu bitten. Wenn ich nicht die Christen hätte, die Tag für Tag konkret für mich und meine unterschiedlichen Aufgaben beten, wäre ich höchstwahrscheinlich als Pastor schon längst gescheitert. Wir alle leben von der gegenseitigen Bitte füreinander. Besonders brauchen gerade jetzt Martin Berg mit seinen drei Kindern: Simon, Pia und David unser Gebet.
Nach dem Beten kommt Paulus noch auf das Küssen zu sprechen, Vers 26:
Grüßt alle Brüder mit dem heiligen Kuss! Beim bloßen Gedanken daran läuft es uns als Germanen schon kalt den Rücken hinunter, schreiben Peter Strauch und Johannes Hansen als Übersetzer des Kommentars von Eddie Gibbs zu dieser Bibelstelle. Küssen und Umarmen, das mag ja bei Franzosen, Russen und Lateinamerikanern noch angehen – aber bei uns? Nun begrüßen sich natürlich Menschen in verschiedenen Kulturen auf unterschiedliche Weise. Hätte Paulus diesen Brief an Eskimos gerichtet, dann hätte er vermutlich geschrieben: „Grüßt alle Brüder mit brüderlichem Nasenwetzen!“ Und die Glieder einer deutschsprechenden Gemeinde hätte er wahrscheinlich aufgefordert: „Begrüßt euch mit einem herzlichen Händedruck!“ Irgend etwas stimmt mit uns nicht, wenn wir mit anderen Gemeindegliedern nur auf Abstand leben können. Viele Christen müssen von Kontaktangst befreit werden. In wie vielen christlichen Versammlungen kommt es wirklich zu echten Begegnungen? Als Christen dürfen wir nicht achtlos aneinander vorübergehen oder uns nur mit einem gleichgültigen Kopfnicken begrüßen. Wir sollen einander liebevoll begrüßen, wie immer das auch in unserer jeweiligen Umgebung aussehen mag.© Eddie Gibbs, Alarmbereitschaft, Seite 89
Gerade dieser Vers macht etwas ganz Wichtiges über Nähe und Distanz zwischen uns deutlich. Wenn ich keine „Nähe“ zulasse, mich nicht öffne, wird die Gemeinde oder der Hauskreis mir auf Dauer nichts bringen. Wenn sich jemand aber ständig zum Thema macht und keine Distanz wahren kann, wird ein Hauskreis oder auch eine Gemeinde daran zerbrechen können.
Volkskirchen sind in der Regel typisch distanziert. Man besucht anonym einen Gottesdienst ohne auch nur mit einem Menschen sprechen zu müssen. Freikirchen sind in der Regel typisch für Nähe und man überschreitet dabei so manches Mal die notwendige Distanz zum anderen und verwechselt Nähe mit Vertraulichkeit. Doch zu viel Vertraulichkeit kann schnell zu tiefen Verletzungen führen.
Deshalb müssen wir es als Christen immer wieder lernen, den Umgang zwischen gesunder Distanz und Nähe unter uns einzuüben.
Abschließend weist Paulus noch darauf hin, dass dieser Brief mit allen Christen in Thessalonich kommuniziert werden muss und zum Schluss „die Gnade“. Damit steht und fällt alles. An Gottes Gnade ist alles gelegen:
Die Gnade Jesu Christi, unseres Herrn, sei mit euch! Amen.