Jesus herrscht als König

Es ist so weit. Ob wir jetzt dafür in Stimmung sind oder nicht. Die erste Kerze am Adventskranz brennt. Es ist wieder einmal so weit. Ob wir uns nun darauf eingestellt haben oder nicht: Adventszeit.

Und da kann es durchaus sein, dass wir zwar unsere Wohnungen adventlich geschmückt haben, es überall herrlich duftet, Kerzenschein die Zimmer in ein neues Licht hüllt, und Zimtsterne einem auf der Zunge zergehen, doch in einem selbst sieht es ganz anders aus und überhaupt nicht adventlich.

Dabei geht es einem noch nicht einmal besonders schlecht. Nur irgendwie will keine rechte Adventsfreude aufkommen. Es ist wie immer. Auch wenn wir heute den 1. Advent schreiben und ein neues Kirchenjahr beginnt. Irgendwie lässt es einen kalt, dass jetzt wieder die schönste Zeit des Jahres beginnen soll, dass Advent uns daran erinnern will: In einem Kind kommt der König aller Könige, Gott selbst zu uns.

Wir haben so oft schon gewartet, nicht nur im Advent. Wir haben auf einen Menschen gewartet, auf ein gutes Wort, darauf, dass Gott unsere Gebete erhört. Wir haben auf so vieles gewartet und so oft gehofft. Wir haben schon so oft im Advent gelebt, in einer Zeit davor, in einer freudigen Erwartung, in einer frohen Hoffnung. Wir haben schon so oft auf diesen König gewartet, darauf, dass Jesus konkret in unser Leben eingreift, dass ihn das Leid und das Elend dieser Welt nicht kalt lässt.

Wir haben schon so oft Advent gefeiert und so oft im Advent gelebt. Wir haben etwas von Jesus erwartet und abgewartet.

Nein, es geht uns nicht besonders schlecht. Es ist wie immer, aber wir erwarten nichts mehr. Es ist nur wieder Advent.

Ganz ähnlich ergeht es einem Mann Gottes, der unermüdlich und unerschrocken für Gott und seine Sache eintritt, einem Mann, von dem Jesus später sagte, Matthäus 11, Vers 11 (Hoffnung für alle): Von allen Menschen, die je geboren wurden, ist keiner bedeutender als Johannes der Täufer.

Er war die menschliche Stimme Gottes in der Wüste, ein Prophet und der Wegbereiter für den Messias. Jesus selbst lässt sich von Johannes am Jordan taufen. Damit ist der Auftrag von Johannes erfüllt und er verweist seine Jünger an Jesus, indem er sagt, Johannes 1, Vers 36 (Hoffnung für alle): Seht, dies ist Gottes Opferlamm!

Anschließend verlässt er die Wüste. Er kommt in die Stadt, nach Jerusalem. Er will dabei sein, wenn die Stunde des Messias kommt. Und dort in der Stadt bekommt er einen Einblick in die chaotischen Zustände. Das Volk Gottes wird von einem Mann regiert, der seine Frau verstoßen hat, anschließend seinem Bruder die Ehefrau ausspannte, um sie zu heiraten.

Natürlich kann ein Johannes dazu nicht schweigen. Er wird gewarnt. Aber er muss es tun. Nachdem er Herodes Antipas öffentlich tadelte, schlagen die Wellen hoch. Über kurz oder lang wird er verhaftet. Man bringt ihn in die Festung Machärus, jenseits des Toten Meeres.

Matthäus 11, Vers 2 bis 6 (Hoffnung für alle): Johannes der Täufer war zu der Zeit im Gefängnis und hörte dort von den Taten Jesu Christi. Er schickte seine Jünger mit der Frage zu Jesus: «Bist du wirklich der Retter, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?»

Jesus antwortete: «Geht zu Johannes zurück und erzählt ihm, was ihr miterlebt habt: Blinde sehen, Gelähmte gehen, Leprakranke werden geheilt, Taube hören, Tote werden wieder lebendig, und den Armen wird die frohe Botschaft verkündet. Sagt ihm außerdem: Glücklich ist jeder, der nicht an mir zweifelt.»

Da sitzt er nun: einsam, verlassen in einem dunklen und kalten Loch. Und er wartet. Er wartet auf den Messias, auf den König, den er angekündigt hat.

Johannes, der Täufer gehört neben Maria und anderen für uns zu den Personen, die mit der Adventszeit ganz fest verbunden sind, weil sie die Ankunft des Messias ankündigen und einläuten.

Aber jetzt und hier im Gefängnis lebt Johannes selbst mitten drin im Advent. Er wartet. Er wartet auf Jesus. Er wartet darauf, dass Jesus die Verheißungen erfüllt. Hat er es nicht immer und immer wieder gepredigt, dass der Messias richten wird, dass die Axt schon an die Wurzel der Bäume gelegt ist?

Hat er nicht immer und immer wieder mit allem Nachdruck und allem Ernst verkündigt, dass der Messias richten wird. Wo bleibt er denn? Was macht er nur so lange?

Johannes der Täufer ist ein Kind seiner Zeit und wie viele seiner Zeitgenossen - und sogar wie die Jünger Jesu - erwartet auch er den Messias als einen mächtigen König, als einen, der die Juden von der Knechtschaft der Römer befreien und anschließend sein Königsreich aufrichten wird.

Nicht nur Johannes wusste um die alten Prophetenworte, um Worte wie Sacharja 9, Vers 9 (Luther): Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.

oder auch Jesaja 9, Vers 5 bis 6 (Luther): Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch, Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.

und viele andere und ähnliche Prophetenworte, die das Kommen des Messias, des Königs beschreiben. Außerdem erwartet Johannes das Gericht Gottes: Die Trennung der Spreu vom Weizen, der Ungläubigen von den Gläubigen.

Und was bekommt er zu hören? Dass dieser von ihm angekündigte neue Weltenherrscher, der alles gut machen wird, dessen Reich kein Ende hat und in dessen Reich Friede und Gerechtigkeit herrschen, dass dieser Messias Kranke heilt und von der Liebe Gottes predigt.

Da kommen ihm dann doch Zweifel - mitten im Advent. Und das sollen die Taten eines Königs sein, eines Weltenherrschers? Vielleicht habe ich mich doch geirrt, vielleicht bin ich doch nur einem Wahn erlegen, damals am Jordan, als ich Jesus sah und nachdem ich ihn taufte, meinte eine Stimme zu hören und meinte zu sehen, wie der Heilige Geist auf ihn in Gestalt einer Taube kam.

Vielleicht war das alles falsch, und ich habe mich geirrt. Vielleicht bin ich wirklich nur einem religiösen Wahn erlegen. Und dafür soll ich jetzt sterben?

Er wendet sich mit seinen Zweifeln an Jesus. Zwei seiner Jünger, die noch bei ihm geblieben sind, schickt er zu Jesus und lässt ihn durch sie fragen: «Bist du wirklich der Retter, der Messias, der König aller Könige, der ewige Weltenherrscher, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?»

Wenn wir so wollen, fragt Johannes danach, ob die Adventszeit jetzt zu Ende ist, oder noch weiter geht, ob Jesus der durch die Propheten und von ihm selbst angekündigte und verheißene König der Könige, der Messias ist, oder ob man auf einen anderen warten muss.

Und was bekommt er zur Antwort? Matthäus 11, Vers 5 bis 6 (Hoffnung für alle): Blinde sehen, Gelähmte gehen, Leprakranke werden geheilt, Taube hören, Tote werden wieder lebendig, und den Armen wird die frohe Botschaft verkündet. Und Glücklich ist jeder, der nicht an mir zweifelt.

Es wird uns nicht berichtet, wie Johannes auf die Antwort Jesu reagiert. Es kann sein, dass er sich an das alte Prophetenwort erinnert hat, denn Jesus hat in seiner Antwort Jesaja 61 (Vers 1 bis 2a) frei zitiert (Luther): Der Geist Gottes des HERRN ist auf mir, weil der HERR mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen, zu verkündigen ein gnädiges Jahr des HERRN.

Nach dem Bericht des Evangelisten Lukas beginnt Jesus seinen öffentlichen Dienst in der Synagoge von Nazareth mit dem Vorlesen genau dieses Verses und sagt anschließend den unvorstellbaren und ungeheuerlichen Satz, Lukas 4, Vers 21 (Hoffnung für alle): Heute hat sich diese Voraussage des Propheten erfüllt.

Was denn nun? Ist er's oder ist er's nicht? Ist Jesus der angekündigte und verheißene König der Könige, der Messias, der Retter der Welt, der Sohn Gottes oder ist er es nicht?

Ist die Adventszeit jetzt zu Ende oder dauert sie noch an? Ist in Jesus der verheißene König, der Messias = Christus, angekommen, oder müssen wir auf einen anderen warten?

Wie gesagt: Es wird uns nicht berichtet, wie Johannes, der Täufer im Gefängnis auf die Antwort Jesu reagiert. Es bleibt offen.

In seiner Antwort erinnert Jesus Johannes an die Erfüllung des alten Prophetenwortes. „Du weißt, was ich tue. Und jetzt erinnere dich an das, was Jesaja über den Messias vorhergesagt hat. Du wirst feststellen, dass sich genau das vor deinen Augen erfüllt.“ Durch den versteckten Hinweis auf Jesaja 61 lässt Jesus dem Johannes ausrichten: „Ich bin es. Ich bin der Gesalbte, Christus, der Messias, der König der Könige. Also zweifle nicht länger an mir und ärgere dich nicht darüber, dass ich anders handle, als du es erwartest und willst!“

Ob Johannes die Antwort Jesu verstanden hat, wird uns nicht berichtet.

Aber es geht ja schon längst nicht mehr nur um Johannes, den Täufer, es geht auch und gerade um uns und um unsere Zweifel und Fragen mitten im Advent.

Wir sitzen zwar äußerlich nicht im Gefängnis, aber seine Frage könnte auch von uns stammen: «Bist du wirklich der Retter, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?»

Ist er der König aller Könige, oder ist er es nicht? Wir bekommen es doch auch oft nicht zusammen, dass wir zwar einerseits die Macht und Größe, die Wirklichkeit und Herrlichkeit Jesu proklamieren und andererseits so wenig davon in unserem Alltag und in dieser Welt erleben.

Haben wir denn wirklich eine Antwort auf die Frage, wenn sie kommt - und sie kommt - weshalb lässt Gott das zu? Wenn Gott doch allmächtig ist, weshalb dann dieser Terror im Irak, das Leid und die Krankheit? Wenn Jesus wirklich alle Macht hat, weshalb hat er dann das Gebet um Heilung oder um Arbeit nicht beantwortet?

Ist Jesus nun König oder ist er es nicht? Hat er alle Macht oder hat er sie nicht? Hatten die ersten Christen recht, wenn sie behaupteten und proklamierten: „Jesus Christus ist der Herr“, oder haben sie sich geirrt?

John Stott, einer der herausragenden Theologen der weltweiten evangelischen Allianz schreibt dazu: Diese Spannung wird im 1. Vers des 110 Psalms sehr gut zusammengefasst, ein Vers, der sowohl von Jesus (Matthäus 22, 44) als auch von anderen Verfassern des Neuen Testaments (Apostelgeschichte 2, 34 - 35; 1. Korinther 15, 25; Philipper 2, 8 - 11; Hebräer 1, 13; Hebräer 10, 12 - 13) zitiert wurde: Gott, der Herr, sprach zu meinem Herrn: «Setze dich auf den Ehrenplatz an meiner rechten Seite, bis ich dir alle deine Feinde unterworfen habe, bis du deinen Fuß auf ihren Nacken setzt!»

Innerhalb dieses einen Verses wird der Messias sowohl als derjenige dargestellt, der zur Rechten Gottes regiert, als auch als derjenige, der auf die (endgültige) Vernichtung seiner Feinde wartet.

Wie kriegen wir das zusammen? Ist Jesus der Herr oder ist es Satan? Regiert Jesus über seine Feinde, oder wartet er darauf, dass sie kapitulieren?

Die einzig mögliche Antwort auf diese Fragen lautet "beides".

Wir müssen zwischen dem unterscheiden, was de jure (rechtmäßig) und was de facto (tatsächlich) ist. De jure ist Jesus der Herr, da Gott ihn auf den höchsten Platz erhoben hat. De facto regiert jedoch Satan, da er sich bisher noch nicht geschlagen gibt oder noch nicht endgültig vernichtet wurde." So weit John Stott.

Jesus Christus ist der Herr, der König aller Könige. In diesem Sinne ist die Adventszeit für uns zu Ende. Wir warten nicht mehr auf den König. Wir leben als Christen davon, dass Jesus auf dem Thron sitzt und König ist!

Zugleich bleibt es aber adventlich. Denn noch hat der Teufel das Sagen in dieser Welt. Noch ist der Feind nicht entmachtet. Wir beten noch darum, dass der Wille Gottes auf der Erde geschieht, dass das Königreich Gottes kommt und wir vom Teufel befreit werden.

So leben wir als Christen im Advent und warten auf die Ankunft des Königs, auf die Wiederkunft Jesu Christi in Macht und Herrlichkeit, warten darauf, dass der Teufel endgültig und tatsächlich entmachtet wird.

Wir leben im Advent und warten auf die Ankunft des Königs. Zusammen mit Johannes, dem Täufer warten wir darauf, dass das Königreich Gottes kommt und dass jede Zunge bekennt "Jesus Christus ist der Herr" und das sich jedes Knie vor dem König der Könige beugt.

Solange leben wir im Advent. Doch wir bekennen schon heute, hier und jetzt und überall: Jesus Christus ist der Herr. Er allein ist der Herr. Er ist der König aller Könige.

Hindus sprechen von dem 'Herrn Krischna' und Buddhisten von dem 'Herrn Buddha'. Als Christen können wir das nicht akzeptieren. Keiner außer Jesus ist Herr und König. Kein Mensch, kein Politiker, kein selbst ernannter Guru, weder das Geld noch eine politische oder philosophische Ideologie, keine Religion, keine kulturelle Errungenschaft und auch nicht der menschliche Geist oder sonst irgendetwas kann Jesus den Platz und den Thron streitig machen. Nichts und niemand verdient unsere Anbetung. Ganz allein Christus gehört alle Anbetung und Ehre.

Abraham Kuyper, der später Ministerpräsident der Niederlande wurde, sagte während seiner Einführungsrede bei der Eröffnung der Freien Universität von Amsterdam im Jahre 1880: Es gibt nicht einen einzigen Zentimeter in sämtlichen Bereichen des menschlichen Lebens, über den Christus, welcher der Souverän ist, nicht sein "Mein" ausruft.

Wir leben als Christen im Advent. Wir warten auf die Ankunft des Königs. Und bis dahin bekennen wir schon heute, dass Jesus Christus allein der Herr ist. Wir feiern schon heute Jesus als den König aller Könige. Jesus ist der König, und wir ehren ihn, indem wir unser gesamtes Leben seiner Herrschaft unterstellen, ihn König sein lassen in unserem Leben und in unserer Mitte.

Als Christen leben wir in der Adventszeit, bis Jesus, unser König sichtbar, und in Macht und Herrlichkeit kommt. Bis dahin haben wir das adventliche Vaterunser zu beten und zu leben und alles dafür einzusetzen, dass Jesus freiwillig als König erkannt und anerkannt wird. Dabei werden wir erleben, dass in dieser Welt der Teufel noch das Sagen hat. Doch wir leben im Advent und wissen um sein Ende.

Wir leben wieder im Advent und warten auf die sichtbare und machtvolle Ankunft unseres Königs Jesus Christus in Macht und Herrlichkeit!



Krefeld, den 27. November 2005
Pastor Siegfried Ochs



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