Jahreslosung 2006 & Jahreslosung 2007

An der Schwelle zu einem neuen Jahr blicken wir zurück und schauen gleichzeitig nach vorn. Erinnerungen werden wach. Vielleicht steigen auch Befürchtungen in uns auf.

Menschen ziehen an uns vorbei. Menschen, mit denen wir uns in diesem Jahr eng verbunden fühlten. Menschen, von denen wir Abschied nehmen mussten. Aber auch Menschen, die uns enttäuscht, vielleicht sogar bewusst getäuscht haben.

Wen werden wir nächstes Jahr alles treffen? Welche Begegnungen wird es geben? Und was werden wir miteinander erleben? Wie wird es uns dabei wohl ergehen?

Erlebtes wird lebendig. Vergangenes wird gegenwärtig. Wie haben wir das bloß alles geschafft? Wie konnten wir das alles nur aushalten und durchstehen? Wo kam die Kraft her? Der Mut? Die Zeit? Das Geld?

Wie wird das Neue Jahr werden? Was wird auf uns warten? Wo werden wir den Gürtel noch enger schnallen müssen? Auf was haben wir zu achten? Welche bisher unbekannten Veränderungen warten noch auf uns?

An der Schwelle zu einem neuen Jahr ist es gut, nicht nur zurück und nach vorn zu schauen, sondern auch noch einmal die „alte Jahreslosung“ Revue passieren zu lassen: Gott spricht: Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht. So lautete die Jahreslosung für das vergangene Jahr aus Josua 1, Vers 5.

Und? Hat Gott sein Versprechen gehalten? Allein, die Tatsache, dass wir jetzt hier sitzen, ist fast schon Beweis genug.

In diesem alten Wort an Josua wird ja nicht davon gesprochen, dass alles glatt und rund laufen wird, dass mehr als genug an materieller Versorgung, freundschaftlichen Beziehungen und so etwas wie „einer heilen Welt“ vorhanden sein wird. Auf dieses Wort hin soll Josua ein ganzes Volk in ein unbekanntes und vor allem heiß umkämpftes Land führen. Mit nichts in der Hand als allein dieser Zusage Gottes.

In einem Alter, in dem wir uns schon längst in unserem wohlverdienten Ruhestand eingerichtet haben, um die 70 Jahre, beginnt für Josua das größte Abenteuer seines Lebens. Bisher war er nur der Diener des Mose gewesen. Ab jetzt ist er sein Nachfolger. Bisher musste er nur in der zweiten Reihe stehen. Ab jetzt steht er allein und an vorderster Front. Für Gott spielt das Alter keine Rolle. Er beruft Senioren und Teenager; eben Menschen, die sich von ihm rufen lassen, völlig losgelöst davon, wie jung oder alt sie auch immer sein mögen.

Alles, was dabei auf Josua wartete, hatte nichts mit dem zu tun, was wir uns unter einem glücklichen und zufriedenen Leben mit harmonischen Beziehungen und materiellem Auskommen vorstellen.

Und dennoch hat sich dieses Wort im Leben des Josua bewahrheitet. Am Ende sagt er dem Volk im 23. Kapitel, Vers 14 (Einheitsübersetzung): Ich selbst muss heute den Weg alles Irdischen gehen. Ihr aber sollt mit ganzem Herzen und ganzer Seele erkennen, dass von all den Zusagen, die der Herr, euer Gott, euch gegeben hat, keine einzige ausgeblieben ist; alle sind sie eingetroffen, keine einzige von ihnen ist ausgeblieben.

Nach dieser, seiner letzten Rede beginnt auch für ihn endlich der „wohlverdiente Ruhestand“, und er stirbt mit 110 Jahren.

Der hebräische Name Josua bedeutet übersetzt „Gott rettet“. Der griechische Name mit derselben Bedeutung heißt übrigens: „Jesus!“

Gott spricht: Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht.

Dieses Wort ist wie ein Blankoscheck und gilt eingelöst zu werden. Aber immer erst im Rückblick zeigt sich, wie Gott durchgetragen, festgehalten und beigestanden hat. Sowohl im Leben eines Josua als auch in unserem Leben, wenn wir auf das vergangene Jahr zurückschauen. Oder hat er uns etwa fallen lassen oder gar verlassen? War er nicht Tag für Tag mit seinem Erbarmen da? War er nicht immer nur ein Gespräch weit, ein kurzes Gebet entfernt? Haben wir nicht täglich von seiner Gnade und seiner Vergebung gelebt? War er es nicht, der uns die Kraft, die Gesundheit, die Zeit, die Kreativität und alles gab, was wir in diesen vergangenen 365 Tagen zum Leben brauchten?

Doch nicht nur Rückblicke bestimmen diesen Tag, sondern auch der Ausblick auf das kommende und unbekannte neue Jahr 2007. Dafür ist uns ein Wort aus Jesaja 43, Vers 19 gegeben: Gott spricht: Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?

„Bis hierher hat uns Gott gebracht“, heißt es angelehnt an ein altes Lied von 1699 (F&L 233 von Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt) manchmal in alten Gemeindechroniken. Dabei ist allerdings nicht immer sicher, dass Gott uns tatsächlich dorthin gebracht hat, wo man sich selbst oder auch eine Gemeinde am Ende eines Jahres befindet. Manchmal hat man sich die Suppe ja auch selbst eingebrockt, die man jetzt aber nicht mehr alleine auslöffeln will. Darum erklärt man Gott rückblickend zumindest am letzten Tag des Jahres dafür verantwortlich.

So können Rück- und Ausblicke also ganz verschieden ausfallen: mit einem dankbaren Herzen Gott gegenüber, dem wir tatsächlich alles Gute unseres Lebens verdanken oder aber verbittert, weil manches anders lief als erhofft, weil Erwartungen enttäuscht wurden, weil eben nicht alles rund und schon gar nicht glatt, sondern eher schwierig und mühsam war und man vielleicht sogar mit Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Trauer und Abschiednehmen fertig werden musste.

An der Schwelle zu einem neuen Jahr ist die Frage: Was machen wir mit diesen schweren Erfahrungen, mit den Enttäuschungen des letzten Jahres, den Verletzungen und den dunklen einsamen Momenten? Wie gehen wir jetzt damit um, an der Grenze des neuen Jahres?

Der Zusammenhang unserer neuen Jahreslosung ist an dieser Stelle hilfreich, Jesaja 43, Vers 18 (Einheitsübersetzung): Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten. Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht? Ja, ich lege einen Weg an durch die Steppe und Straßen durch die Wüste.

Denkt nicht mehr an das, was früher war. Der designierte Präses unseres Bundes, Ansgar Hörsting merkt dazu an: „Wer nur in den Rückspiegel schaut, kann nicht mehr vorwärts fahren.“

Das geht tatsächlich nicht, zumindest nicht ohne Unfall! Deshalb ist es nicht nur gut, sondern sogar heilsam, am Ende dieses Jahres die alten Verletzungen des vergangenen Jahres wirklich zu beerdigen und sie nicht mit ins neue Jahr zu nehmen.

Drei Dinge sind mir bei diesem Wort fürs neue Jahr aufgefallen:

1. Nicht wir, sondern Gott schafft Neues!

Wir können nur kopieren, allenfalls noch etwas bereits vorhandenes klonen. Wie sagte schon der Prediger: Es gibt nichts Neues unter der Sonne (Prediger 1, Vers 9). Nein, nicht wir, sondern Gott schafft Neues. Er ist und bleibt der Schöpfer, der Neuschöpfer.

2. Dieses Neue ist besser, als das was ist!

Israel befand sich in einer äußerst schwierigen Situation, als Gott dieses Wort durch seinen Propheten Jesaja seinem Volk Israel in der babylonischen Verbannung sagen ließ. Zwischen unseren beiden Jahreslosungen liegen gut und gerne 500 Jahre. Mit Josua siedelt sich das Volk Gottes in Israel an und dann beginnt die Zeit, in der Israel seinem Gott mehr und mehr untreu wird, bis Gott schließlich mit der Zerstörung Jerusalems und der anschließenden babylonischen Gefangenschaft sein Volk hart bestrafen muss.

Mitten in der Verbannung, voller dunkler trübsinniger Gedanken an längst vergangene Zeiten lässt Gott seinem Volk sagen: Ich schaffe etwas Neues, das nicht nur anders, sondern auch erheblich besser als eure Situation der selbstverschuldeten Gefangenschaft ist.

Aber nicht alles Neue ist gleich automatisch auch besser als das Bisherige. Wenn ich zum Beispiel an die Elektronik meines Autos denke und an die vier Autopannen des letzten Jahres mit insgesamt 39 Tagen Werkstattaufenthalt und rund 900 Euro Kosten für einen Fehler, der letztlich nicht wirklich gefunden wurde, glaube ich nicht mehr daran, dass alles menschlich Neue auch automatisch besser ist.

Doch wenn Gott für uns etwas Neues vorbereitet, ist dies auf jeden Fall besser als das, was ist!

3. Dieses Neue wird nur sichtbar, wenn wir Altes loslassen!

Manchmal muss man seine Wohnung aufräumen, um Platz für Neues zu schaffen. Dann ist aber für den alten Kram kein Platz mehr vorhanden. Dann muss man aufräumen und vor allen Dingen auch ausmisten und sich wirklich von alten Dingen trennen. Sogar manchmal richtig liebgewordenes, aber letztlich doch untaugliches, wie z.B. eine alte kaputte oder zu klein gewordene Jacke, eben loslassen und tatsächlich und buchstäblich beerdigen. Ansonsten erstickt man irgendwann an seinem Besitz.

Um sehen zu können, was Gott an Neuem schaffen will und was ja bereits anfängt aufzuwachsen, braucht man offene Augen und ein befreites Herz. Augen, die nicht nur ständig in den Rückspiegel starren. Ein Herz, das bewusst und willentlich anderen vergibt, auch sich selbst vergibt, die Enttäuschungen über Andere loslässt und sich so von den erkannten Selbst- und Fremdtäuschungen nicht weiter lähmen lässt.

Die neue Jahreslosung riecht nach Abenteuer und Aufbruch. Aber es geht nicht, wenn wir das Alte dabei festhalten wollen.

Es gilt: Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht? Amen.



Krefeld, den 31. Dezember 2006
Pastor Siegfried Ochs



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