Freiheit nach 18 Monaten

Die Geschichte der Familie Manaz. die anderthalb Jahre in Kirchenasyl lebte, ging nicht nur durch die Krefelder Presse. In CHRISTSEIN HEUTE 17/2000 und 18/2000 berichtete Silke Janssen über den „außergewöhnlichen Fall von Kirchenasyl“, da sich die FeG Krefeld stark für die kurdische Frau und ihre fünf Kinder einsetzte. Seit dem 18. Dezember 2001 ist Sultan Schönfeld (bekannt als Sultan Manaz) mit ihren Kindern Hüseyin, Besev. Elif, Sevgi und Hatice wieder frei.

Mit ihrem Mann und vier Kindern kam Sultan Manaz im Jahr 1988 nach Deutschland. Sie stellten einen Asylantrag, doch das Verfahren blieb anhängig. Die vier Töchter und der 1990 geborene Sohn wuchsen in Krefeld auf und bekamen durch die „Kids-Arbeit“ Kontakt zur Freien evangelischen Gemeinde Krefeld. Kinder und Mutter begannen, sich in der Gemeinde zu engagieren und fanden dort Freunde.

Im Jahr 1999 ließ sich Frau Manaz schließlich von ihrem Mann scheiden, um sich und ihre Kinder vor seiner wiederholten Gewalttätigkeit zu schützen. Daraufhin nahm der Vater den Asylantrag zurück, um mit seiner Familie wieder in die Türkei zurückzukehren.

Im November 1999 beschloss die Stadt, Familie Manaz abzuschieben. Ein Ausweg für die Familie wäre gewesen, in die Türkei aus- und nach Deutschland wiedereinzureisen. In Deutschland hätten sie erneut einen Asylantrag stellen können. Allerdings drohte jetzt Sultans Mann, sie und die Kinder umzubringen, falls seine Frau in die Türkei einreisen sollte. Dort hätte sie außerdem als Kurdin alevitischer Glaubensrichtung mit Verfolgung rechnen müssen. Auch hätte sie als Geschiedene und Mutter von vier Töchtern keine Rechte gehabt. Die letzte Möglichkeit, die der Familie blieb, war das Kirchenasyl.

Am 21. Juni 2000 zog Sultan Manaz mit ihren fünf Kindern in die Altkatholische Kirche in Krefeld ein, die sie nicht mehr verlassen durften. Dort fand auch der Unterricht der Kinder statt, zu dem sich freiwillige Lehrer fanden. Der hintere Teil des Gottesdienstraumes diente als Wohnung, der Lebensunterhalt der Familie wurde durch Patenschaften in der FeG Krefeld und Spenden gedeckt.

Bereits im März 2000 verlobte sich Sultan Manaz mit ihrem langjährigen Krefelder Freund Walter Schönfeld. Sobald ihre Scheidungsunterlagen aus der Türkei eintreffen würden, wollte sie ihren Verlobten heiraten, in ein europäisches Nachbarland ausreisen und dort bei der deutschen Botschaft ein Visum für die Einreise zur Familienzusammenführung beantragen.

Nach 18 Monaten Kirchenasyl, am 17. Dezember 2001, kamen die Papiere aus der Türkei in Deutschland an. Am nächsten Tag stellte die Stadt Krefeld der Familie eine Grenzübertrittsbescheinigung aus. Das bedeutete, dass ihr Aufenthalt bis zum 31. Januar 2002 geduldet würde. Außerdem versprach die Stadt, einem dauerhaften Visum zuzustimmen. Am 21 , Dezember heirateten Sultan und Walter Schönfeld.

Da die Wohnungssuche bisher erfolglos verlief, wohnt die Familie immer noch in der Kirche. Allerdings haben sie jetzt das Recht, die Kirche zu verlassen, und seit dem 7, Januar 2002 gehen die Kinder, die zwischen 11 und 18 Jahre alt sind, wieder zur Schule. Jetzt wartet ihre Mutter auf die Papiere der Deutschen Botschaft in Holland, um aus Deutschland aus- und wieder einreisen zu können. Nur die Pässe seien inzwischen da, berichtet Pastor Siegfried Ochs (FeG Krefeld). Die Stadt versuche alles Mögliche um den Vorgang zu beschleunigen. aber es sei eben doch viel „bürokratisches Hickhack“. Ist dieses Prozedere bestanden, steht einem geregelten Familienleben nichts mehr im Weg.

Anita Mende
CHRISTSEIN HEUTE Nr. 4 vom 17. Februar 2002


Asyl im Alten Testament

Als das Volk Israel im „gelobten Land“ einzog, befahl Gott ihnen, sechs „Asylstädte“ im ganzen Land verteilt zu errichten (4. Mo. 35, 15ff). In diesen Städten sollte jeder vor Blutrache geschützt sein, der ohne Absicht einen anderen getötet hatte. Der Verfolgte floh in die nächste Asylstadt und musste bis zum Tod des amtierenden Hohenpriesters dort bleiben. Traf der Bluträcher ihn während dieser Zeit außerhalb der Stadt an, durfte er ungestraft Rache ausüben. Diese Regelung galt auch für die Fremden, die in Israel lebten.


Kirchenasyl praktisch

Rechtlich gesehen genießt das Kirchenasyl keinen staatlichen Schutz. Da sie kein Recht hat, Kirchenasyl auszuüben, hält die Kirche bereits seit 1983 nicht mehr daran fest. Trotzdem kommt es vor, dass Verfolgte in ihr Schutz finden. Dies ist z.B. möglich, wenn wie im Fall der Familie Manaz ein Asylantrag abgelehnt wird, die Abschiebung jedoch von der Kirche aus moralischen Gründen als unverantwortlich empfunden wird.